Beitragsdynamiken in der Berufsunfähigkeitsversicherung sind Ihr schleichendes Nachversicherungsrecht, um Ihre BU-Absicherung an die laufende Kaufkraftentwicklung anpassen zu können. Im Unterschied zur Nachversicherung sind Beitragsdynamiken nicht dafür geeignet, höhere Sprünge in der Gehaltsentwicklung abzubilden.

Unterschied Nachversicherung und Beitragsdynamik in Berufsunfähigkeitsversicherung

Beitragsdynamiken sind eine jährlich wiederkehrende Option, die vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente in kleinen Schritten zu erhöhen und somit an die Kaufkraftentwicklung anzupassen.

In der SBU (für selbstständige Berufsunfähigkeitsversicherung) können in der Regel bis 5 % Beitragsdynamik vereinbart werden, in der BUZ (für Berufsunfähigkeitsversicherung) regelmäßig bis zu 10 %.

Über die Jahre kann so durchaus auch eine beträchtliche BU-Rentensteigerung erzielt werden, so man das will und die Versicherungsbedingungen dies hergeben. Beitragsdynamiken sind aber völlig ungeeignet, um bei erheblichen Gehaltssprüngen oder deutlich angestiegenem Versicherungsbedarf zeitnah die BU-Rentenhöhe erhöhen zu können.

Gehaltssprünge und erheblich steigenden Absicherungsbedarf (bspw. durch Baufinanzierung oder Geburt von Kindern) – muss die Nachversicherung in der Berufsunfähigkeitsversicherung lösen.

Beitragsdynamiken und Nachversicherungsoptionen stellen gemeinsam und in Wechselwirkung sicher, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung hinsichtlich der Absicherungshöhe auch über Jahrzehnte bedarfsgerecht bleiben kann.

Beitragsdynamik sinnvoll nutzen und rechnerische Aspekte

Beitragsdynamiken sind ein mächtiges und steuerbares Instrument, um die Absicherungshöhe einer Berufsunfähigkeitsversicherung dauerhaft bedarfsgerecht zu erhalten.

Rechnerisch sind Beitragsdynamiken nichts anderes als versicherungsmathematische Mikroverträge, die mit dem jeweiligen Eintrittsalter berechnet werden. Je älter ich bin, desto weniger BU Rente bekomme ich im Vergleich pro ausgegebenem Euro. Salopp, es wird mit den Jahren absolut gesehen teurer.

Beitragsdynamiken erfolgen daher als prozentuale Erhöhungen im Regelfall auf Basis des Vorjahresbeitrags. Dies ist auch nötig, da sinngemäß die Kaufkraft (wv BU Rente pro Euro) durch reines “Älterwerden” jedes Jahr sinkt.

Eine regelmäßige dynamische Erhöhung sollte grundsätzlich völlig unabhängig von Einkommensentwicklung und gefühltem Absicherungsbedarf angestrebt werden. Zumal die Beitragsdynamik eine reine Option ist.

Heißt, durch Widerspruchsrechte kann ich selbst aktiv steuern, wann und wie oft ich eine Beitragsdynamik mitnehmen möchte. Optionen schaden grundsätzlich immer nur dem, der keine Optionen hat. Mehr Details und Informationen dazu im Artikel: Beitragsdynamiken sinnvoll nutzen

Beitragsdynamik in den Versicherungsbedingungen

Auch in Bezug auf die Spielregeln für Beitragsdynamiken unterscheiden sich die Versicherungsbedingungen zum Teil ganz erheblich. Wer eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen möchte, sollte daher auch diesen Aspekt grundsätzlich ganz genau unter die Lupe nehmen.

Einen kurzen Überblick über die zu prüfenden Kriterien in Bezug auf dynamische Erhöhung kann man der nachfolgenden Grafik entnehmen:

Erläuterungen zu den einzelnen Aspekten finden sich in den nachfolgenden Tabs:

Gehaltsentwicklung und Absicherungsbedarf verlaufen von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Der Eine erreicht seinen Gehaltspeak schon recht früh, der Andere erzielt mit 50 noch einmal erhebliche Gehaltszuwächse. Kinder, Baufinanzierung und andere Aspekte können im Verlauf eines Lebens hinzu kommen.

Kurzum: Jeder Jeck ist anders. Wie man bei uns sagt …

Im Hinblick auf die Versicherungsbedingungen ist das durchaus wichtig. Manche Anbieter limitieren das Höchstalter für Beitragsdynamiken. So führt die Bayerische als typischer Beamtenversicherer die letzte Beitragsdynamik mit 55 durch.

Das kann durchaus zu knapp sein, wenn das Leben nicht geradelinig verläuft. Beispiel: Scheidung

Am Markt gibt es aber auch Anbieter, wo das Recht auf dynamische Anpassung bereits mit dem 45. Lebensjahr endet. Das ist in praktisch jedem Fall zu knapp.

Beitragsdynamiken sind aus Sicht der Versicherer nicht unerhebliche Risiken. Schließlich kommen schleichend über die Jahre ganz erhebliche BU-Renten zusammen, ohne dass der Versicherer das zu Grunde liegende Risiko erneut prüfen könnte.

In Betrachtung des Gesamtmarktes nehmen tendenziell häufiger die weniger Gesunden auch höhere Beitragsdynamiken mit. Man spricht in diesem Fall vom Risiko der negativen Risikoselektion beim Versicherer.

Darum gibt es von Versicherer zu Versicherer verschiedene Ansätze Beitragsdynamiken zu deckeln. Gerade junge oder kleine Versicherer bekommen hier auch schlicht von den Rückversicherern die Daumenschrauben angelegt.

Die Formulierung einer generellen / fixen Obergrenze für Beitragsdynamiken ist am Markt eher selten. Gleichwohl, je nach technischer Ausgestaltung einer Berufsunfähigkeitsversicherung ist es nicht zu empfehlen, allein auf einen solchen Anbieter zurück zu greifen.

Eine Nürnberger limitiert beispielsweise die Dynamikobergrenzen beim Studenten auf 2.000 €. Wäre das unabänderbar, wäre es ein K.O.-Kriterium für diesen Versicherer. Diese Obergrenze kann jedoch mit Berufseintritt überprüft und angepasst werden.

Durchaus häufiger als fixe Obergrenzen ist die Prüfung der wirtschaftlichen Angemessenheit, sobald eine bestimmte Berufsunfähigkeitsrente erreicht wird. Das kann explizit in den Versicherungsbedingungen stehen, zum Teil aber auch nur in den jährlichen Anschreiben zur dynamischen Erhöhung als Fußnote.

Beispiel Alte Leipziger, Dynamikbedingungen 01.2020

In den älteren Bedingungen der Alte Leipziger galten stets pauschal 40.000 € BU-Jahresrente als Obergrenze für die Überprüfung der wirtschaftlichen Angemessenheit, in den neuen Bedingungen erfolgt die Festlegung indivdiuell anhand der Berufsgruppe im Versicherungsschein.

Die Story ist nicht ganz unproblematisch. Wurde im Sinne der Spielregeln zu Unrecht erhöht, würde es im Leistungsfall lediglich die bedingungemäß rechtmäßige Berufsunfähigkeitsrente geben. Klingt nicht dramtisch? Kann je nach konkreten Spielregeln im Einzelfall aber durchaus weh tun, bspw. bei längeren Kindererziehungszeiten (kein relevantes Einkommen) und späterem Berufseinstieg.

Gerade in Verbindung damit, dass je nach Versicherer nur eine limitierte Anzahl an Dynamikwidersprüchen möglich ist, kann das gefährlich werden. Kurzum, das Recht zur dynamischen Erhöhung könnte dadurch im schlimmsten Fall vollständig verloren gehen, auch wenn noch Jahrzehnte bis zur Altersrente ausstehen.

Bei der Alte Leipziger kann der dynamischen Erhöhung wiederum beliebig oft widersprochen werden, ohne dass das Anrecht verloren geht. Damit ist die oben beispielhaft dargestellt Regel zwar zu beachten, in der Praxis aber nicht wirklich gefährlich.

Je nach Ausgangssituation sind Nachversicherungsoptionen existenziell, um schnell am Stück die Absicherung erhöhen zu können. Das gilt zum Beispiel für Schüler, Studenten und Auszubildende.

Diese Zielgruppen werden hinsichtlich der bei Abschluss maximal möglichen BU-Rente limitiert. Bei jungen Schülern können das beispielsweise 1.000 € BU Rente sein, bei Studenten bis auf wenige Ausnahmen 1.500 € BU-Rente. Zudem haben diese Zielgruppen kein eigenes Einkommen.

Wäre also durchaus möglich, dass sich ein Student initial bspw. nur 1.200 € BU Rente leisten kann und möchte. Spätestens mit Berufseintritt ist er dann unterversichert und wird erhöhen müssen.

Nun wäre es denkbar dämlich, wenn für den Erhöhungsteil (also die Nachversicherung) keine dynamische Erhöhung möglich ist. Dieses Problem haben wir beispielsweise bei “die Bayerische” (SBU Komfort, Stand 08.2019).

Heißt, ich hätte bspw. 1.200 € BU-Rente initial und könnte über die Zeit in mehreren Schritten bis zu 1.800 € weitere BU Rente nachversichern (Obergrenze Nachversicherung = 3.000 € BU-Rente). Blöderweise findet auf die Nachversicherung aber kein Kaufkraftausgleich mehr statt. Bei beispielhaft 30 Jahren bis zur Altersrente kann das die Kaufkraft der vereinbarten BU-Rente allein durch Inflation spielend halbieren.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Bayerische Stand 09.2019 nur 500 € Nachversicherung pro Erhöhung zulässt. Ein gutes Beispiel, wie Wechselwirkungen aus Nachversicherung und Beitragsdynamiken zu einer unsinnigen technischen Ausgestaltung führen können.

Auch wenn ich die Bayerische für Berufseinsteiger und Berufserfahrene gern in einer Berufsunfähigkeitsversicherung als Zweivertragslösung vermittle, für Schüler, Studenten und Auszubildende ist der Anbieter mit seinen spezifischen Dynamik- und Nachversicherungsregelungen mit Vorsicht zu genießen.

Grundsätzlich gilt, das Recht auf dynamische Beitragserhöhung sollte als Privileg verstanden werden. Wenn es für mich sinnvoll ist mehr Geld für mehr Berufsunfähigkeitsversicherung auszugeben, hat sich auch mein Einkommen erhöht. Macht man also gerne.

Nun kann es aber natürlich auch sein, dass sich das Einkommen über längere Zeit nicht erhöht oder schlicht der Absicherungsbedarf auch kaufkraftbereinigt nicht ansteigt. Beispielsweise weil erhebliches Vermögen vorhanden ist.

In solchen Fällen kann einer dynamischen Erhöhung grundsätzlich widersprochen werden. Es gelten nur unterschiedliche Spielregeln, wie oft das möglich ist, ohne das Anrecht auf dynamische Erhöhung zu verlieren.

Markttypisch ist die 2 zu 3 Regelung. Heißt: Es kann zweimal in Folge widersprochen werden. Wird dreimal in Folge widersprochen, geht das Anrecht auf dynamische Erhöhung.

Einzelne Anbieter gehen in Sachen Flexibilität darüber hinaus. So bietet beispielsweise der HDI eine 4 zu 5 Regelung. Alte Leipziger, Allianz und neuerdings Condor ermöglichen unbegrenzte Widersprüche, ohne das Anrecht zu verlieren. (Stand April 2020)

Allerdings ist hier zu mahnen: Niemand gibt wirklich gern Geld für Versicherungen aus. Dynamiken aus Geiz dauerhaft auszusetzen ist aus vielerlei Gründen nicht zielführend:

  1. Die Absicherungshöhe sinkt durch Inflation
  2. Nachversicherung wird mit laufender Vertragsdauer und steigendem Alter nicht leichter
  3. Wenn das Haus erstmal brennt (BU bevorsteht oder schon eingetreten ist), sind weder Dynamiken noch Nachversicherung möglich.

Insbesondere basierend auf Punkt 3 ist zu einer regelmäßigen Annahme der Beitragsdynamiken zu raten. Selbst die Geizigsten unter uns sollten wenigstens den Kaufkrafterhalt sicherstellen.

Leider habe selbst ich Kunden im Bestand, die das nicht verstanden haben oder nicht verstehen wollen. Aber gut, ich kann nicht zaubern. Mehr als Erklären ist nicht drin. Erwachsene Menschen müssen ihre Entscheidungen treffen und dann mit den Konsequenzen leben.

Üblicherweise können in der SBU bis zu 5 und in der BUZ bis zu 10 % Beitragsdynamik vereinbart werden. Es gibt Ausreißer in beide Richtungen.

Eine LV1871 limitiert beispielsweise die maximal mögliche Beitragsdynamik für Studenten auf 3 %. Das ist aus zwei Gründen recht unproblematisch. Zunächst gibt es ein bedingungsseitiges Anrecht die Dynamik nach Berufseintritt zu erhöhen. Das Problem kann also gelöst werden.

Zudem bietet die LV1871 abweichend zum Markt die Option Erhöhung der Vorjahressumme an. Statt dem Vorjahresbeitrag wird also die BU-Rente des Vorjahres erhöht. Da mit steigendem Alter im Vergleich zum Vorjahr immer weniger BU Rente für den gleichen Euro abgesichert werden kann, hat der Modus Vorjahressumme eine insgesamt höhere Wirkung als der Modus Vorjahresbeitrag.

Inflationsausgleich sollte also auch bei 3 % auf die Vorjahressumme möglich sein. Restliche Zielsetzungen sollten im Rahmender technischen Ausgestaltung einer Berufsunfähigkeitsversicherung geklärt werden. Insbesondere hinsichtlich Nachversicherungsoptionen in einer Zweivertragslösung.

Gleichwohl, bei Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung sollte man auch auf diesen Aspekt achten. Es gibt am Markt weit problematischere Regelungen, als den beispielhaft benannten Ansatz der LV1871.

Fazit und Bewertung Beitragsdynamik in der Berufsunfähigkeitsversicherung

Beitragsdynamiken sind MEIN Anrecht einer schleichenden Nachversicherung, um insbesondere den Kaufkrafterhalt meiner vereinbarten Berufsunfähigkeitsrente darzustellen.

Ich sollte also darauf achten, dass …

  1. die Dynamikbedingungen bei Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung passen
  2. und ich regelmäßig Beitragsdynamiken mitnehme

Leider gibt es selbst in meinem Bestand Sparfüchse, die grundsätzlich seit Jahren jeder dynamischen Erhöhung widersprechen. Das ist aus drei Gründen keine sonderlich sinnvolle Vorgehensweise:

  1. Die Absicherungshöhe sinkt durch Inflation
  2. Nachversicherung wird mit laufender Vertragsdauer und steigendem Alter nicht leichter
  3. Wenn das Haus erstmal brennt (BU bevorsteht oder schon eingetreten ist), sind weder Dynamiken noch Nachversicherung möglich

Es ist klar anzuraten, dynamische Erhöhungen regelmäßig vorzunehmen. Selbstverständlich lassen sich größere Sprünge bei sinnvoller Umsetzung auch durch Nachversicherung abdecken. Nachversicherung ersetzt aber eben keine Beitragsdynamiken und Beitragsdynamiken in der Regel nicht die Nachversicherung.