Konkrete Verweisung in der Berufsunfähigkeitsversicherung

Konkrete Verweisung heißt, der Versicherer kann die Leistung einstellen (oder es liegt kein Leistungsfall vor), wenn der Versicherungsnehmer eine neue Tätigkeit tatsächlich (konkret) ausübt, die der Lebensstellung im zuletzt (vor Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigungen) ausgeübten Beruf entspricht.

Eine konkrete Verweisung ist in allen am Markt erhältlichen Versicherungsbedingungen enthalten. Gleichwohl gibt es von Versicherer zu Versicherer  Unterschiede, was die tatsächliche inhaltliche Regelung angeht.

Welche Aspekte beim Thema konkrete Verweisung zu berücksichtigen sind, fasst die nachfolgende Grafik vereinfacht zusammen:

Bevor wir jedoch einen genaueren Blick auf die einzelnen Aspekte werfen, klären wir zunächst, was eine konkrete Verweisung in der Praxis eigentlich bedeutet.

Was ist eine konkrete Verweisung in der Berufsunfähigkeitsversicherung?

Die konkrete Verweisung ist der Verweis des Versicherers auf eine andere Tätigkeit, die der Versicherungsnehmer tatsächlich ausübt (bspw. ein paar Jahre nach Eintritt des Leistungsfalls). Entspricht dieser neue Beruf der Lebensstellung vor Leistungsfall / vor Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigungen, kann der BU-Versicherer die BU-Leistung einstellen.

Hinsichtlich der konkreten Verweisung gibt es in der Berufsunfähigkeitsversicherung grundsätzlich zwei verschiedene Zeitpunkte.

  1. die Erstprüfung – ich reiche meinen BU-Leistungsantrag beim Versicherer ein
  2. die Nachprüfung – ich erhalte bereits dauerhaft meine BU-Rente und der Versicherer prüft, ob die Voraussetzungen noch vorliegen

Der Versicherer kann also sowohl zum Zeitpunkt des Leistungsantrags, als auch später während des Bezugs einer BU-Rente prüfen, ob eine konkrete Verweisung möglich ist. Am Beispiel der Bayerischen SBU Komfort sieht das für die Erstprüfung so aus:

Übt der Versicherungsnehmer also zum Zeitpunkt seines BU-Leistungsantrags eine andere Tätigkeit tatsächlich (konkret) aus und entspricht diese andere Tätigkeit der bisherigen Lebensstellung, liegt keine Berufsunfähigkeit vor. Der Versicherer ist nicht in der Leistungspflicht.

Die konkrete Verweisung grenzt sich von der abstrakten Verweisung also dadurch ab, dass der zu prüfende Vergleichsberuf tatsächlich ausgeübt wird. Tatsächlich ein Einkommen erzielt wird.

Die Lebensstellung als Schutzbarriere ist dabei ein Oberbegriff für zwei Teilaspekte:

  1. die zumutbare Einkommensreduzierung
  2. die soziale Wertschätzung

Ist die neu ausgeübte Tätigkeit hinsichtlich einer dieser beiden Aspekte nicht mit der ursprünglichen Tätigkeit vor BU-Leistungsfall vergleichbar, ist keine konkrete Verweisung möglich.

Im AVB Termin frage ich meine Interessenten stets, welche der beiden Schutzbarrieren (soziale Wertschätzung oder Einkommensreduzierung) aus ihrer Sicht die Höherwertigere ist. In der Regel entscheiden sich meine Interessenten für die Einkommensreduzierung. Ist schließlich eine greifbare Zahl und Zahlen vertrauen wir.

Ist aber sowohl praktisch als auch theoretisch falsch. Praktisch stellt sich die Frage, “Was ist eigentlich das durchschnittlich erzielte Einkommen?”. Insbesondere wenn dieses aus Boni, Tantiemen, Saison- / Schichtzulagen etc. pp. besteht. Darüber kann man sich mit einem Versicherer hervorragend streiten.

Theoretisch spielt die Einkommensreduzierung aber auch überhaupt keine Rolle, wenn die soziale Wertschätzung gerissen ist. Allerdings ist “soziale Wertschätzung ein abstrakter Begriff, daher im Nachgang drei Beispiele dazu:

Beispiele zur konkreten Verweisung aus der Rechtsprechung

Nehmen wir beispielsweise einen Gesellschaftswissenschaftler, der in einem sozialen Bereich arbeitet. Diese Tätigkeiten sind von großer Bedeutung für unsere Gesellschaft, werden aber in der Regel schlecht bezahlt. Der Betroffene wird nun berufsunfähig, erhält für ein paar Jahre seine BU-Rente und nimmt nach bspw. 3-4-5 Jahren wieder eine Tätigkeit (bspw. in Folge Umschulung) auf.

Diese neue Tätigkeit ist nicht akademisch, sondern handwerklich geprägt. Wird aber (Annahme) nicht schlechter bezahlt, als die vor Eintritt der Berufsunfähigkeit ausgeübte Tätigkeit.

Der Versicherer prüft nun (meist jährlich) in der Nachprüfung, ob …

  • a) die gesundheitlichen Beeinträchtigungen im ursprünglichen Beruf noch vorliegen,
  • oder b) eine konkrete Verweisung auf die neu ausgeübte Tätigkeit möglich ist

Die Schutzbarriere zumutbare Einkommensreduzierung zieht nicht, das Einkommen im neuen Beruf ist in unserem Beispiel vergleichbar. Dennoch war der alte Beruf akademisch geprägt, bzw. der akademische Abschluss Voraussetzung für diesen Beruf.

Die soziale Wertschätzung ist gerissen. Die Verweisung eines Akademikers auf einen nicht akademischen Beruf ist im Regelfall nicht möglich. Unser Betroffener ist bei unverändertem Vorliegen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen auch unverändert berufsunfähig. Eine konkrete Verweisung ist nicht möglich.

Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist eine Summenversicherung. Es gibt nur EINE oder KEINE Leistung. Es wird nicht gequotelt. Unser Betroffener erhält weiterhin seine Berufsunfähigkeitsrente.

Siehe bspw. …

BGH Urteil vom 20. Dezember 2017, Az. IV ZR 11/16 – Verweisung eines “armen” Hufschmieds auf die wirtschaftlich erfolgreichere Tätigkeit als ungelernter Maschinenführer

Insbesondere zwei Berufe haben eine besonders hohe soziale Wertschätzung in der Rechtsprechung.

  • praktizierender Arzt
  • Rechtsanwalt

Nehmen wir mal den Neurochirurgen aus dem Artikel zum Kernleistungsversprechen. Er hat einen Tremor (starkes Zittern) und kann nicht mehr operieren, er ist berufsunfähig. Nun wird dieser Neurochirurg Pharmavertreter. Er ist ein Verkaufstalent und verdient plötzlich doppelt so viel, wie in seiner ursprünglichen Tätigkeit als Arzt.

Unser Betroffener ist unverändert berufsunfähig. Die Tätigkeit als Pharmavertreter ist hinsichtlich der sozialen Wertschätzung nicht vergleichbar zur Tätigkeit als Neurochirurg.

Generell sind praktizierende Ärzte ab dem Facharzt nur auf eine Tätigkeit als praktizierender Arzt verweisbar. Eine Verweisung auf die Krankenhausverwaltung oder andere, im weitesten Sinne “ärztliche Tätigkeit” ist praktisch ausgeschlossen. Siehe bspw. Urteil LG Ingolstadt 21 O 1887/14 vom 18.08.2015: Verweisung eines Facharztes der Chirurgie auf die Tätigkeit eines Arbeitsmediziners ist unzulässig.

Ein deutlicher Unterschied zur BU-Leistung eines Versorgungswerks. Um diese zu erhalten, darf in der Regel keine ärztliche Tätigkeit mehr ausgeübt werden.

Zudem ist eine Verweisung beim Arzt nur innerhalb der Karrierestufe denkbar. Also ein Facharzt nicht auf Assistenzarzt, ein Oberarzt nicht auf Facharzt verweisbar …

Tatsächlich gibt es einige Versicherer, die aus werblichen Gründen extra entsprechende Passagen in die Bedingungen aufnehmen. Ist aber weder nötig noch ein Mehrwert, das Grundprinzip der Lebensstellung in der konkreten Verweisung gilt für jede Berufsunfähigkeitsversicherung.

Auch im Kontext Berufsunfähigkeit bei Selbstständigen ist die Lebensstellung, respektive die soziale Wertschätzung im Zuge konkreter Verweisung immer wieder ein Thema.

Ein Beispiel: Ein Handwerker, bspw. ein Malermeister mit Angestellten kann hervorragende handwerkliche Arbeit leisten, war aber vielleicht kaufmännisch nicht sonderlich geschickt. Hat also überschaubare Einkommen erzielt.

Dieser Malermeister wird nun berufsunfähig. Einige Jahre nach Eintritt des Leistungsfalls ist er zumindest wieder in der Lage als Angestellter mit überschaubarem Stundenansatz zu arbeiten, bspw. in einem anderen Beruf. Wirtschaftlich könnte es aber ein vergleichbares Einkommen sein.

Spielt keine Rolle. Die Lebensstellung ist nicht vergleichbar, die soziale Wertschätzung des Malermeisters mit Angestellten als Betriebsinhaber liegt über der sozialen Wertschätzung eines angestellten Malers.

Siehe bspw. …

OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.12.2012 – 12 U 93/12 – Selbstständiger Malermeister nicht auf Tätigkeit als angestellter medizinisch-technischer Laborassistent

BGH, Urteil vom 14.12.2016 – IV ZR 527/15 – Selbstständiger Arzt nicht auf Tätigkeit als leitender Angestellte im MVZ verweisbar

Zusammenfassung: Was ist die Lebensstellung?

Die Lebensstellung ergibt sich aus zumutbarer Einkommensreduzierung und sozialer Wertschätzung im vor dem BU-Leistungsfall ausgeübten Beruf. So wie dieser ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war. Eine konkrete Verweisung ist nicht möglich, wenn die neue Tätigkeit hinsichtlich Einkommen oder sozialer Wertschätzung spürbar unter der Lebensstellung im ursprünglichen Beruf angesiedelt ist.

Beispiel Leistungsfall aus meinem eigenen Kundenbestand

Im vorliegenden Fall ging es um eine Kundin, die vor Eintritt des BU-Leistungsfalls einen rechtsberatenden Beruf freiberuflich ausübte (zu versteuerndes Einkommen über 100.000 €). Jahre später nahm sie eine Tätigkeit als Kassiererin in einem Baumarkt auf.

Die neu ausgeübte Tätigkeit entspricht nicht der bisherigen Lebensstellung vor Eintritt der Berufsunfähigkeit, wie die Allianz im Schreiben an die Kundin auch sehr ausführlich begründet hat. Die BU-Rente wird also weiter gezahlt.

Von einstmals 100.000 Euro ZvE auf Kassiererin im Baumarkt? Passiert nicht? Doch, passiert.

Eine solche Entwicklung kann verschiedene Gründe haben. Menschen sind grundsätzlich soziale Wesen, brauchen soziale Interaktion und wollen selbst schlicht gebraucht werden. Die meisten Menschen sind einfach nicht dafür geschaffen, dauerhaft auf der Couch zu hocken und Playstation zu spielen.

Allerdings muss man sich auch darüber im Klaren sein, dass sinngemäß “99,9 %” aller BU-Renten da draußen viel, viel zu niedrig angesetzt sind. Die restlichen meist einfach nur zu niedrig. Siehe Artikel: Wie viel BU-Rente ist sinnvoll

Dieses plakative Beispiel aus der Leistungsfallpraxis – vom Gutverdiener zur Kassiererin im Baumarkt – ist also nicht immer nur eine Frage des “Wollens”. Leider ist es in der Praxis auch all zu häufig eine Frage des “Müssens”.

Konkrete Verweisung – Worauf achten bei BU-Abschluss?

Wenn ich eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen möchte, sollte ich auf eine saubere bedingungsseitige Regelung der konkreten Verweisung achten. Auch wenn moderne Tarife diesbezüglich im Regelfall eher unproblematisch sind. Die Problematik konkrete Verweisung wirkt in erster Linie auf die Nachhaltigkeit meines Leistungsanspruchs.

Hier gibt es – wie eingangs in der Grafik gezeigt – eine Reihe zu berücksichtigender Kriterien, unter anderem:

  1. Ist eine konkrete Verweisung in der Erstprüfung möglich?
  2. Gibt es in jedem Fall eine festgelegte zumutbare Einkommensreduzierung – bspw. 20 %?
  3. Gelten die Kriterien aus der Erstprüfung auch für die Nachprüfung? (Kriterienerhalt)

Ist eine konkrete Verweisung in der Erstprüfung möglich?

Mit Ausnahme der Ego Top des HDI enthalten alle Versicherungsbedingungen am Markt eine konkrete Verweisung. Der HDI kann in der Erstprüfung jedoch keine konkrete Verweisung prüfen, das ist erst in der Nachprüfung möglich. In den neueren Bedingungen ist eine Nachprüfung frühestens 6 Monate nach Anerkenntnis der Berufsunfähigkeit möglich.

Im Regelfall ist diese spezielle Gegebenheit eher ein “nice to have” und kein muss. Die dafür notwendige Erklärung ist jedoch etwas umfangreicher …

HDI hat als einziger Versicherer generell keine konkrete Verweisung in der Erstprüfung. Ein Alleinstellungsmerkmal, welches natürlich werblich deutlich ausgeschlachtet wird. Ob das in der Praxis aber wirklich einen Mehrwert darstellt, ist eine weitaus kompliziertere Frage.

Keine konkrete Verweisung in der Erstprüfung heißt zunächst, dass der Leistungsnachweis formal vereinfacht wird. Allerdings ist es eher selten, dass ich bei Vorliegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen im Sinne der 50 % Leistungsgrenze bereits zum Zeitpunkt des Leistungsantrags eine andere Tätigkeit ausübe, die der Lebensstellung im ursprünglichen Beruf entspricht.

Dieser Aspekt ist also nicht sonderlich praxisrelevant, eher ein “nice to have” für den Fall der Fälle. Aus meiner Sicht keine Entscheidungsrelevanz pro HDI.

Keine konkrete Verweisung heißt aber auch, dass eine konkrete Verweisung erst in der Nachprüfung möglich ist. Das löst einen ganzen Rattenschwanz rechtlicher Folgen aus.

Während die Beweislast in der Erstprüfung beim Versicherungsnehmer liegt, muss in der Nachprüfung (formelles Verfahren) der Versicherer beweisen. Heißt, HDI muss beweisen, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht mehr vorliegen oder dass eine Tätigkeit konkret ausgeübt wird und dass diese Tätigkeit der ursprünglichen Lebensstellung entspricht.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen in der Nachprüfung fallen also zu Gunsten des Versicherungsnehmers aus.

Es gibt aber noch einen weiteren Aspekt, der sich so nicht in den Versicherungsbedingungen findet. Dabei geht es um die so genannte nachgeschobene Nachprüfung. Ein Versicherer kann nicht konkret verweisen, wenn er genau diese konkrete Verweisung in der Erstprüfung nicht geprüft hat.

Beispiel:

Ein junges Mädel entscheidet sich aus Verlegenheit zunächst für eine Ausbildung als Bürokauffrau, die sie abschließt. Langweilt sich aber in diesem Job tierisch. Sie wird Yogalehrerin.

Nun wird sie im Beruf der Yogalehrerin berufsunfähig.

Der Versicherer müsste nun in der Erstprüfung prüfen, ob sie auf Basis der bestehenden Ausbildung eine Tätigkeit als Bürokauffrau ausübt. Tut er es nicht, kann er es in der Nachprüfung nicht mehr.

HDI kann es in der Erstprüfung nicht prüfen, also auch nicht in der Nachprüfung.

Heißt in der Praxis, HDI kann nur auf eine neue Tätigkeit mit neu erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten verweisen, nicht auf bereits vorhandene Qualifikationen. Sieht in den Bedingungen so aus:

Diese Regelung kann im Einzelfall – gerade bei nicht linearen Karriereverläufen – zusätzliche Rechtssicherheit bieten. Auch bei sehr breit aufgestellten Ausbildungen – bspw. Wirtschaftsingenieuren – kann es im Einzelfall ein Vorteil sein.

Es ist aber kein Kriterium, welches pauschal jeder Interessent haben sollte.

Tatsächlich gibt es am Markt sogar einige Regelungen hinsichtlichen der neu erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten, die in Bezug auf die rechtlichen Konsequenzen einigermaßen vergleichbar sind. Diesbezüglich ist die Rechtsprechung aber nicht eindeutig genug, um es inhaltlich gleich zum HDI zu werten.

Gibt es in jedem Fall eine festgelegte zumutbare Einkommensreduzierung?

Darauf sollten Sie bei Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung achten! Die zumutbare Einkommensreduzierung sollte in jedem Fall als maximale Obergrenze definiert sein. In den Versicherungsbedingungen kann das beispielsweise so aussehen:

Dieses Beispiel entstammt der Golden BU der LV1871 Stand 05/2020. Eine zumutbare Einkommensreduzierung von mehr als 20 % ist nicht zumutbar.

Beispiel zumutbare Einkommensreduzierung:

Ich habe im Ursprungsberuf 1.000 Geldeinheiten verdient. Ich werde berufsunfähig. Ein paar Jahre später nehme ich wieder einen Teilzeitjob auf. Wenn ich unter 800 Euro in diesem Teilzeitjob verdiene, bin ich unverändert berufsunfähig. Vorausgesetzt, die medizinischen Einschränkungen im vor Eintritt der Berufsunfähigkeit ausgeübten Beruf liegen unverändert vor.

Der geneigte Leser wird sich fragen, warum “Bruttoeinkommen” rot markiert ist. Ganz einfach, Selbstständige haben bspw. einen Gewinn vor Steuern, aber kein “Brutto” wie der Arbeitnehmer. Ich persönlich bevorzuge es, wenn der Versicherer das schon in der konkreten Verweisung sauber unterscheidet.

Die LV1871 tut es an späterer Stelle in der Umorganisationsklausel. Das ist völlig in Ordnung.

Bleiben die Prüfkriterien aus der Erstprüfung auch in der Nachprüfung enthalten?

Heute, schon durch den Verlauf der Rechtsprechung bedingt, findet man diesen Fallstrick in aktuellen Versicherungsbedingungen kaum noch. Das sah bis 2015 anders aus.

So konnten in der Nachprüfung plötzlich andere Kriterien angelegt werden, als in der Erstprüfung. Beispielsweise konnte auch eine abstrakte Verweisung durch die Hintertür in der Nachprüfung stehen, obwohl man in der Erstprüfung noch darauf verzichtete.

Es lässt sich relativ leicht herausfinden, welche Regelung gilt, Beispiel:

Hier stellt die LV1871 klar, dass für eine konkrete Verweisung in der Nachprüfung die gleichen Spielregeln gelten, wie in der Erstprüfung. Das meint Lebensstellung, bestehend aus 20 % zumutbarer Einkommensreduzierung und sozialer Wertschätzung.

Fast alle heutigen Tarife bieten hier saubere Regelungen.

Fazit konkrete Verweisung in der Berufsunfähigkeitsversicherung

Der Versicherer kann die BU-Rente einstellen (oder es liegt kein Leistungsfall vor), wenn er erfolgreich konkret verweisen kann. Saubere Regelungen in den Versicherungsbedingungen sind daher wichtig und wirken direkt auf die Nachhaltigkeit des Leistungsanspruchs.

Anders formuliert:

Aufgabe einer Berufsunfähigkeitsversicherung ist es, den erreichten Status (Einkommen / Ausbildung etc.) im Falle einer Berufsunfähigkeit zumindest finanziell zu erhalten. Hintergrund: Es geht nicht darum, das restliche Leben krank auf der Couch zu versauern.

Ziel ist selbstverständlich die weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit, sprich die Genesung.

Dafür ist es wiederum wichtig, sich auf die Genesung konzentrieren zu können. Meint, nicht aus finanzieller Verzweiflung heraus irgendwelche katastrophalen Jobs annehmen zu müssen, nur um den Kühlschrank füllen zu können.

Mit einer auskömmlichen BU-Rente kann man sich zunächst auf die Genesung und Wiederherstellung des gesundheitlichen Leistungsvermögens konzentrieren und so hoffentlich – bspw. nach einigen Jahren – wieder voll zurück ins Erwerbsleben.

Bleiben die gesundheitlichen Einschränkungen jedoch dauerhaft und kann gesundheitlich fortan zwecks Teilhabe am sozialen Leben nur noch in geringem Umfang gearbeitet werden, darf das dem Statuserhalt (sprich Bezug einer BU Leistung) nicht im Wege stehen.

Von |2023-05-27T11:06:20+02:00Mai 21st, 2023|0 Kommentare

Arztanordnungsklausel Berufsunfähigkeitsversicherung

In der Arztanordnungsklausel geht es um die Frage, was der Versicherer vom Versicherungsnehmer hinsichtlich dessen Bemühungen zur vollständigen Genesung verlangen kann. In Folge dann darum, welche praktischen Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit des Leistungsanspruches sich daraus ergeben.

Was ist die Arztanordungsklausel?

Der Begriff Arztanordnungsklausel ist im Grunde veraltet. Eine Befehlsbefugnis hat der behandelnde Arzt gegenüber dem Patienten im zeitgemäßen Verständnis eines Arzt-Patienten-Verhältnisses nicht.

Eine pauschale Arztanordnungsklausel, gem. nachfolgendem Beispiel, gibt es praktisch nur in sehr alten Verträgen.

Beispiel Arztanordnungsklausel Altvertrag

Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet … Anordnungen, die der untersuchende oder behandelnde Arzt nach gewissenhaftem Ermessen trifft, um die Heilung zu fördern oder die Berufsunfähigkeit zu mindern, zu befolgen …

Zeitgemäße Versicherungsbedingungen haben seit Wegfall des §183 VVG a.F. und in Folge höchstrichterlicher Rechtsprechung immer einen mehr oder weniger deutlich ausformulierten, eingeschränkten Verzicht auf die Arztanordnungsklausel (blaue Hervorhebung). Das sieht dann beispielsweise so aus:

Führt dazu, dass Arztanordnungsklauseln gemäß gängiger Vergleichssoftware in praktisch keiner einzigen zeitgemäßen Berufsunfähigkeitsversicherung enthalten sind. Das klingt ja ganz nett, ist inhaltlich aber aus meiner Sicht eine gefährlich unvollständige Wertung der Vergleichsprogramme.

Wie unschwer zu erkennen, geht es mit “hiervon ausgenommen” weiter. Immer wenn man in Versicherungsbedingungen ein “hiervon ausgenommen” findet, sollten alle Alarmglocken schrillen, sinngemäß “roter Oktober geht auf Tauchfahrt”.

Pflicht zu Heilbehandlungen, Maßnahmen, sowie Treu und Glauben

Auch wenn es die klassische ärztliche Anordnung im zeitgemäßen Verständnis nicht mehr gibt: Die bedingungsseitigen Regelungen zu insbesondere zumutbaren Heilbehandlungen und Maßnahmen sind eine Mitwirkungspflicht, im Versicherungsdeutsch Obliegenheit genannt.

Der Versicherer kann in den Versicherungsbedingungen ausformulieren, welche zumutbaren Handlungen zur Beseitigungen oder Minderung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen er vom Versicherungsnehmer verlangen kann. Obwohl eine solche Regelung in den GDV Musterbedingungen zur Berufsunfähigkeitsversicherung (14.11.2019) schlicht gar nicht vorgesehen ist, tun das praktisch alle BU-Versicherer.

Salopp geht es also um die Frage, was der Versicherungsnehmer über sich ergehen lassen muss, bevor ein Leistungsanspruch gegenüber der Berufsunfähigkeitsversicherung begründet ist (oder eben begründet bleibt).

Anstelle der klassischen Gleichsetzung einer Anordnung mit einem Befehl, tritt die Auslegung des Begriffs im Zuge §§133 und 157 VVG. Meint insbesondere konkrete Empfehlungen, Anweisungen, dringliche Ratschläge oder Aufforderungen zur Heilung, Besserung oder Behandlung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

In zeitgemäßen Versicherungsbedingungen geht es dabei vor allem um Heilbehandlungen / Maßnahmen, wenn diese …

  • einfach
  • gefahrlos
  • nicht mit besonderen Schmerzen verbunden sind
  • und sichere oder wesentliche Aussicht auf Heilung oder Verbesserung bieten

Im Umkehrschluss begründet eine leicht und risikolos therapierbare gesundheitliche Beeinträchtigung keinen Leistungsanspruch gegenüber der Berufsunfähigkeitsversicherung.

Das Problem sind die diversen Grauzonen (bspw. therapiewillig vs. therapiefähig), stark unterschiedliche und gefährlich offene Formulierungen in den Versicherungsbedingungen, sowie die keinesfalls abschließende oder einheitliche Rechtsprechung im Kontext.

Dabei geht es nicht nur um die Frage des Fortbestands eines bereits begründeten Leistungsanspruchs.

Vielmehr ist die Arztanordnungsklausel ein potentieller Verzögerungscheck für den Versicherer. Salopp die Frage: Was muss ich, wenn es mir ohnehin schon dreckig geht und mich Zukunftssorgen plagen,  noch alles über mich ergehen lassen (bis die BU-Rente überwiesen wird).

Arztanordnungsklausel in den Versicherungsbedingungen

Für Obliegenheiten gilt grundsätzlich: Sie müssen vertraglich (insbesondere in den Versicherungsbedingungen) vereinbart sein.

Arztanordnungsklausel Berufsunfähigkeitsversicherung

Wenn wir uns Versicherungsbedingungen näher anschauen, unterscheiden wir zunächst in der Frage, ob nur pauschal ärztliche Anordnungen (Altverträge) benannt sind, oder ob es konkrete Folgedefinitionen zumutbarer Handlungen gibt. In zeitgemäßen Tarifen wird immer Letzteres der Fall sein.

In den Folgedefinitionen zumutbarer Handlungen unterscheiden wir:

  • Heilbehandlungen & einfache Hilfsmittel – üblich und unproblematisch
  • pauschale Ausweitung auf Maßnahmen – problematisch
  • Pauschale Ausweitung auf Maßnahmen nach §242 BGB – unnötig und problematisch

Schauen wir uns zunächst einmal eine unproblematische bedingungsseitige Regelung an. Aus bekanntem Beispiel, LV1871 Golden BU Stand 01/2022:

Benannt sind zunächst einfache Hilfsmittel des täglichen Lebens. Inhaltlich sind dies Maßnahmen.

Einfache Hilfsmittel des täglichen Lebens – wie zum Beispiel Gehhilfen, Sehhilfen oder Hörhilfen – wird jeder Betroffene automatisch von sich aus nutzen, um das eigene Leben lebenswert zu gestalten. Das ist also völlig unproblematisch, inhaltlich aber abzugrenzen gegenüber einer pauschalen Ausweitung auf Maßnahmen und insbesondere gegenüber den aus pauschaler Ausweitung resultierenden, zumutbaren Kompensationsmaßnahmen.

Die einfachen und gefahrlosen ärztlichen Heilbehandlungen mit sicherer oder wesentlicher Aussicht auf Verbesserung wird der betroffene Versicherungsnehmer im Regelfall ebenfalls von sich aus wahrnehmen.

Ein plattes, stark überspitztes Beispiel:

Junger Kerl Anfang 20, sportlich / schlank / athletisch lernt Frau seiner Träume kennen. Frau seiner Träume kann unheimlich gut kochen und er futtert gern. Er moppelt auf, wird dicker und dicker und dicker. Es folgt der Bluthochdruck, schließlich das Herzleiden und dann die Berufsunfähigkeit.

Zumutbare Heilbehandlungen wären die medikamentöse Einstellung des Bluthochdrucks und des Herzleidens, Ende der Aufzählung. Wird man schon von sich aus machen, zumindest wenn man weiter leben will. Maßnahmen wären hier beispielsweise eine medizinische Diät (mit ungewisser Erfolgsaussicht und langwierig).

Aus einer pauschalen Ausweitung auf Maßnahmen würden hingegen auch Kompensationsmaßnahmen resultieren, beispielsweise der regelmäßige Besuch eines Fitnessstudios, wie es Gesunden zuzumuten wäre.

Hier sollte schon deutlich werden, dass man über solche Storys nicht mit dem Versicherer streiten will, wenn man per Definition nicht im Vollbesitz körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit ist (BU-Leistungsfall).

Schauen wir uns nun einmal einen Prototyp einer problematischen Arztanordnungsklausel an. Sinngemäß der “worst case”, Swisslife SBU 01.2017:

Zunächst hat die 2017er Swisslife eine pauschale ärztliche Anordnung, auch wenn es hier “Anweisung” heißt. Das war schon 2017 eine der schlechtesten Regelungen im Markt.

Begründet wird dies, sowie die Zumutbarkeit von Maßnahmen (ausgeweiteter Begriff) mit §242 BGB – Treu und Glauben. Sie können diesen “Totschläger der Wohlverhaltenspflichten” ja gern einmal lesen und versuchen, es inhaltlich auf den eigenen Körper zu übertragen. Viel Spaß.

Zwar ist der §242 BGB im Kontext §254 Abs. 2 BGB im Einzelfall in jedem versicherungsrechtlichen Vertragsverhältnis zu berücksichtigen, hier geht es aber nur um die Legitimierung stark ausgeweiteter Obliegenheiten.

Dies betrifft insbesondere auch Kompensationsmaßnahmen, beispielsweise:

  • regelmäßiger Besuch eines Fitnessstudios
  • Umbau von Arbeitsstätten auf Barrierefreiheit
  • Verwendung spezieller Tastaturen, Monitore, Stühle, Stehpulte, Fahrzeugen usw. usf.
  • Einnahme von wechselnden Körperhaltungen, Einhaltung von fiktiven Pausenplänen etc.

Es nicht um die Frage, ob bestimmte Maßnahmen im Einzelfall sinnvoll / hilfreich oder dauerhaft heilungsfördernd wären. Es geht lediglich darum, dass bei solchen bedingungsseitigen Ausweitungen all diese Aspekte zunächst zu klären wären, bevor ein Leistungsanspruch gegenüber der Berufsunfähigkeitsversicherung begründet wäre.

Und das kostet Sie das Wesentlichste, was Sie im Leistungsfall nicht haben: Zeit, Kraft und somit Gesundheit.

Die ausdrückliche Formulierung der Swisslife (50 % Leistungsgrenze) dürfte zudem klar machen, dass es dem Versicherer hier keinesfalls um die dauerhafte Wiederherstellung Ihrer Gesundheit geht. Sondern eben allein darum, Sie unter die 50 % Leistungsgrenze zu drücken. Also nicht zahlen zu müssen.

Grenzfall Alte Leipziger SBU ab 01/2022

Die Alte Leipziger verwendet schon seit Jahren das Wording Empfehlungen / ärztliche Empfehlungen. Theoretisch wäre dies wortwörtlich genommen noch eine Ausweitung über Maßnahmen hinaus, stark überspitzt eben eine beiläufige ärztliche Empfehlung. Denn anders kann der Arzt mit dem Patienten eigentlich gar nicht kommunizieren.

Diese Begriffsklauberei bezüglich Empfehlungen ist allerdings eher unnötig, da insbesondere die Rechtsprechung hier schon relativ klare Grenzen setzt und in älteren Bedingungen der Alte Leipziger mit “dies gilt für” klar konkretisiert wurde.

Empfiehlt der Arzt beispielsweise einen bestimmten Eingriff, steht die Entscheidung darüber einzig und allein dem Patienten zu.

Mit den AVB ab 01/2022 hat die Alte Leipziger aber Formulierungen aufgenommen, die aus meiner persönlichen Sicht höchst widersprüchlich und völlig sinnfrei sind.

Benannte Physiotherapien und Rückenschulkurse sind eben gerade keine Heilbehandlungen, das sind (Heil-)Maßnahmen. Diese Maßnahmen sind nur im Einzelfall ein sinnvoller und realisierbarer Teil einer ärztlichen Heilbehandlung.

Zudem geht es um “zum Beispiel”. Diese Aufzählung ist gänzlich offen und nicht abschließend auf Benanntes beschränkt. Wir reden immer noch über Obliegenheiten. Also über Dinge, die Sie tun müssen, bevor es “Kohle gibt”.

Hier werden zwei Problempunkte getriggert.

Zunächst steht dem Versicherungsnehmer grundsätzlich erst einmal das Recht zu, Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit ärztlicher Maßnahmen zu hinterfragen. Genau wie allein dem Versicherungsnehmer die Wahl des behandelnden Arztes offen steht.

Die vorgenannte, ausdrücklich in den Bedingungen vereinbarte Ausweitung untergräbt diesen Grundsatz.

Der zweite Problempunkt ist nicht ganz so offensichtlich. Hinsichtlich Heilmaßnahmen müssen wir insbesondere zwischen Therapiefähigkeit und Therapiewilligkeit unterscheiden.

Würde eine – insbesondere kurzfristige – Physiotherapie nahezu zweifelsfrei zur Genesung führen, wären diese sicherlich generell Teil einer zumutbaren Heilbehandlung. In der Praxis unrealistisch.

Wie sieht es aber nun beispielsweise mit “lebenslangen” begleitenden psychotherapeutischen Maßnahmen aus, die durchaus mit erheblichem subjektivem Aufwand und Einschränkungen verbunden sein können?

Bei dauerhaften gesundheitlichen Beeinträchtigungen kann durchaus ein Zustand erreicht werden, bei dem der Betroffene Versicherungsnehmer sich mit seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung soweit arrangiert, dass minimale Besserungen gegen erheblichen Aufwand und Folgeeinschränkungen völlig legitim abgewogen werden.

Das ist keinesfalls automatisch eine Therapieunwilligkeit im Sinne der Grenzen des §242 BGB, es ist eine Abwägung im Einzelfall. Eine Grauzone.

Hier in dieser Klausel ist die Obliegenheit aber vereinbart. Sie ist sowohl Leistungsvoraussetzungen als auch bei grob fahrlässigem oder vorsätzlichem Verstoß im Sinne des §28 VVG sanktionierbar.

Überspitzen wir weiter, um es endgültig deutlich zu machen. Insbesondere psychische Erkrankungen zeichnen sich häufiger auch dadurch aus, dass Therapieunfähigkeit vorliegt. Meint: Psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlungen, insbesondere stationär, sowie die Einnahme von Psychopharmaka kann der Betroffene (insbesondere zeitlich begrenzt) aus unterschiedlichsten Gründen (noch) nicht wahrnehmen.

Dies ist abzugrenzen gegenüber der den Leistungsanspruch einschränkenden Therapieunwilligkeit, beispielsweise Weigerung gegenüber einfacher Gesprächstherapie.

Inwieweit solche Behandlungen dann Heilbehandlungen oder Maßnahmen wären und was im Sinne des Versicherers zumutbar wäre, wird dann (nach ggf. viel verlorener Zeit und Kraft) im Zweifelsfall ein Richter klären müssen.

Fazit zur Arztanordnungsklausel

Ich persönlich lege viel Wert auf eine saubere, nicht ausgeweitete Arztanordnungsklausel.

Ich berücksichtige in meiner Auswahl generell keine Versicherer, bei denen ich erhebliche Probleme in der Arztanordnungsklausel sehe. Das obige Beispiel Alte Leipziger dient nur dem inhaltlichen Verständnis und wäre aus meiner Sicht ein vertretbarer Graubereich.

Meine strikt ablehnende Haltung gegenüber ausgeweiteten Mitwirkungspflichten hat nicht viele Anhänger. Vermittlerfortbildung erfolgt in der Regel auf Kosten der Versicherer beim Versicherer. Und in solchen Präsentationen der Versicherer – wenn mangels Listung in Vergleichssoftware überhaupt thematisiert – wird die Story im Regelfall mit einfachen und emotional nachvollziehbaren Beispielen “totgeschlagen”.

Diverse befreundete Versicherungsberater, die sich den ganzen Tag mit der Begleitung von BU-Leistungsfällen beschäftigen, sehen diese Klauselproblematik wesentlich entspannter als ich. Allein weil es bei diesen in der tagtäglichen Leistungsfallpraxis kaum eine Rolle spielt.

Ich respektiere die befreundeten, auf Leistungsfälle spezialisierten Versicherungsberater. Bin da jedoch entschieden anderer Meinung.

Verträge regeln, was passiert, wenn man sich nicht mehr verträgt. Beim Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung kann ich den späteren, professionellen Leistungsantrag nicht vorweg einplanen. Ich kann aber sehr wohl ein Vertragswerk wählen, dass ein möglichst transparentes und belastbares Leistungsversprechen enthält. Mir fallen keine guten Gründe ein, um dies nicht zu tun.

Der Totschläger ” … aber aktuelle Leistungsfallpraxis …” ist irrelevant. Wenn ich heute eine Berufsunfähigkeitsversicherung vermittle, dann läuft die geplant über 30-40 Jahre. Der Sachbearbeiter, mit dem man das Thema ja schon “3,5,7 mal völlig unproblematisch gelöst hat” ist dann im Ruhestand.

Das Regulierungsverhalten der Versicherer ändert sich alle paar Jahre, beispielsweise …

  • in Folge von Vorstandswechseln,
  • abhängig von “Schadensquoten” und der Refinanzierbarkeit des Kollektivs
  • und vor allem subjektiv in Abhängigkeit von der Qualität des dann tätigen Personals

Wollen Sie drauf wetten, dass eine subjektive, selektive (kein Versicherungsberater sieht alle Leistungsfälle am Markt) und temporäre Einschätzung auch in 20, 30 oder 40 Jahren noch Bestand hat?

Ihre Versicherungsbedingungen gelten dann übrigens noch.

Von |2023-01-18T11:25:29+01:00Januar 18th, 2023|0 Kommentare

Befristetes Anerkenntnis in der Berufsunfähigkeitsversicherung

Wer eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen möchte, erwartet natürlich auch ein sauberes Anrecht auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung im Fall der Fälle. Ein befristetes Anerkenntnis ist ein potentieller Fallstrick auf dem Weg dahin, zumindest im Zuge nicht professioneller “do it yourself”-Leistungsanträge.

Was ist ein befristetes Anerkenntnis?

Im Gegensatz zur zeitlich unbefristeten Anerkennung einer Berufsunfähigkeit werden bei einem befristeten Anerkenntnis nur zeitlich befristet Leistungen (beispielsweise für 12 Monate) gewährt.

Gemäß Abs. 2 §173 Versicherungsvertragsgesetz darf ein befristetes Anerkenntnis nur einmalig ausgesprochen werden.

Eine Nachprüfung der Berufsunfähigkeit ist während der Dauer der Befristung pauschal ausgeschlossen. Nach Ablauf des befristeten Anerkenntnisses muss der Versicherungsnehmer dem Versicherer erneut beweisen, dass er berufsunfähig ist (Beweislastumkehr im Vergleich zur Nachprüfung).

Befristete Anerkenntnisse werden am Markt kontrovers diskutiert, grundsätzlich gibt es zwei unterschiedliche Meinungen dazu. Zum Einen die Meinung der Versicherer, die kein befristetes Anerkenntnis in den Versicherungsbedingungen haben, zum Anderen die Meinung der Versicherer, die ein befristetes Anerkenntnis haben.

Versicherer, die ein befristetes Anerkenntnis haben, würden dieses überspitzt wie folgt werblich argumentieren:

“Da du unser geliebter, geschätzter Kunde bist, leisten wir jetzt schon mal schnell befristet für 12 Monate, obwohl der Therapie-, Behandlungs-, Diagnosestand für einen vollständigen BU-Leistungsnachweis noch gar nicht ausreicht / abschließend vorliegt.”

Salopp, eine schnellere und unkompliziertere Leistung soll möglich sein. Gerade bei Versicherungen gilt jedoch, wenn irgendetwas zu gut klingt um wahr zu sein, sollten alle Alarmglocken schrillen. Sinngemäß … dingdingding … Roter Oktober geht auf Tauchfahrt.

Versicherer, die kein befristetes Anerkenntnis haben, würden dieses überspitzt wie folgt werblich argumentieren:

“Wir sind die einzigen lieben, netten und wahren Versicherer. Wir lassen dich armen, unwissenden Kunden nicht in die Falle eines befristeten Anerkenntnisses laufen.”

Aus meiner Sicht sind beide Sichtweisen falsch, respektive gehen beide Ansichten völlig am eigentlichen Thema vorbei. Dazu kommen wir aber noch einmal ausführlich im Fazit.

Befristetes Anerkenntnis in den Versicherungsbedingungen

Ein befristetes Anerkenntnis muss ausdrücklich in den Versicherungsbedingungen definiert sein, ansonsten besteht diese Möglichkeit für den Versicherer nicht. Es gibt allerdings auch ausformulierte Verzichte auf befristete Anerkenntnisse in den Versicherungsbedingungen.

Somit ist dieses Auswahlkriterium einer Berufsunfähigkeitsversicherung denkbar einfach zu prüfen.

Entweder es steht ein befristetes Anerkenntnis drin, siehe Beispiel LV1871 Golden BU, 01.2022

oder es gibt kein befristetes Anerkenntnis, respektive der Versicherer verzichtet darauf, siehe Beispiel HDI Ego Top 01.2022.

Rechtliche Grundlagen befristetes Anerkenntnis

Die unbefristete Anerkennung einer Berufsunfähigkeit ist der Regelfall. Von dieser Entscheidung kann sich der Versicherer dann nur noch durch eine Nachprüfung der Berufsunfähigkeit lösen. Im formellen Nachprüfungsverfahren gehen Darlegungs- und Beweislast vollständig zu Lasten des Versicherers.

Nach §173 Abs. 1 Satz 1 Versicherungsvertragsgesetz kann der Versicherer sein Anerkenntnis jedoch auch einmalig zeitlich befristen:

§ 173 Anerkenntnis

(1) Der Versicherer hat nach einem Leistungsantrag bei Fälligkeit in Textform zu erklären, ob er seine Leistungspflicht anerkennt.
(2) 1 Das Anerkenntnis darf nur einmal zeitlich begrenzt werden. 2 Es ist bis zum Ablauf der Frist bindend.

Nach Ablauf der zeitlichen Befristung ist erneut der Versicherungsnehmer in der Beweislast für seine Berufsunfähigkeit. Das ist potentiell bei einer Vielzahl an Erkrankungen problematisch. Machen wir ein plattes Beispiel zum Verständnis:

Psychische Erkrankungen als Teil der gesundheitlichen Beeinträchtigungen

Insbesondere bei psychischen Erkrankungen gibt es wenigstens 2 gute Gründe, warum sich die Aktenlage im Zuge der bspw. 12 Monate Befristung fast zwangsläufig verbessern wird.

  1. Keine Verbesserung, Ende der Kostenübernahme durch Krankenkasse oder Krankenversicherung
  2. Alles andere wäre nicht heilungsfördernd

Sowohl der Heilbehandler als auch der betroffene Versicherungsnehmer werden ein Interesse am Fortbestand laufender Behandlungen / Therapien etc. haben. Ohne Verbesserung endet aber der Versicherungsschutz in der Krankenversicherung früher oder später. Schon von daher haben beide ein grundsätzliches Interesse daran, Verbesserungen zu dokumentieren.

Das Gegenteil wäre auch nicht heilungsfördernd. Stellen Sie sich kurz vor, Sie hätten eine psychische Erkrankung und ich wäre ihr Heilbehandler. In meiner charmanten Art würde ich Ihnen dann mitteilen, “Ihr Oberstübchen ist dermaßen im A… , springen Sie doch am besten gleich.”. Zweifelsfrei wäre das nicht heilungsfördernd.

Auch auf dieser Ebene ist zu befürchten, dass überspitzt eher dokumentiert wird, wie toll Sie in dieser Zeit Mandalas gemalt haben.

Nach Ablauf der Befristung müssen Sie nun mit diesen medizinischen Unterlagen erneut Ihre Berufsunfähigkeit beweisen. Das kann im Einzelfall dann auch mal etwas schwieriger werden.

Hätten der Versicherer hingegen seine Leistungen unbefristet anerkannt, müsste eine gesundheitliche Verbesserung im Sinne der 50 % Leistungsgrenze vom Versicherer bewiesen und ausführlich dargelegt werden.

Dieses Grundproblem des befristeten Anerkenntnisses nennt man Beweislastumkehr (zu Lasten des Versicherungsnehmers).

Ob dieser nachteiligen Rechtswirkung für den Versicherungsnehmer gibt es vielfältige Rechtsprechung  zu den Voraussetzungen für eine Befristung und auch zu unzulässigen befristeten Anerkenntnissen, die dann via Gericht gekippt wurden.

Beispiel: BGH Urteil Az. IV ZR 235/18 9. Oktober 2019

Leitsatz:

Ein befristetes Anerkenntnis in der Berufsunfähigkeitsversicherung setzt sowohl das Vorliegen eines sachlichen Grundes als auch eine Begründung der Befristung durch den Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer voraus.

Quelle: BGH Urteil Az. IV ZR 235/18 9. Oktober 2019

Wechselwirkungen Krebs Klauseln, schwere Krankheiten und AU Klauseln

Mangels Kreativität und sinnvoller, zielgruppenorientierter Ansätze in der AVB Entwicklung wurden in den letzten Jahren verstärkt diverse additionale Leistungsauslöser in die Versicherungsbedingungen aufgenommen. So nach dem Motto, irgendwie müsse man sich in den gängigen Vergleichsprogrammen ja unterscheiden und sei es eben durch Werbegags.

Zu diesen vertrieblich motivierten Storys gehören beispielsweise Krebsklauseln, Klauseln für schwere Krankheiten und gewissermaßen auch die AU-Klausel. Letzten Endes ist es schlicht einfacher eine Berufsunfähigkeitsversicherung mit “es gibt Kohle, wenn du Krebs hast” zu verkaufen, als das komplexe, aber viel weitreichendere Kernleistungsversprechen einer Berufsunfähigkeitsversicherung vernünftig zu erklären.

Der Mehrwert solcher Klauseln ist häufig wenigstens fragwürdig. In gewissem Maße sind sie sogar gefährlich, denn es sind ausnahmslos zeitlich befristete Anerkenntnisse.

Was bei genauerer Betrachtung Fragen aufwirft. Beispielsweise, warum eine Alte Leipziger, die Jahre lang auf  “wir haben kein befristetes Anerkenntnis” herum geritten ist, als erster bzw. einer der ersten Versicherer ein befristetes Anerkenntnis durch die Hintertür via Krebsklausel neu geschaffen hat.

Fazit zum Thema befristetes Anerkenntnis und Entscheidungshilfe

Aus meiner Sicht ist es im Regelfall schlicht egal, ob die Versicherungsbedingungen ein befristetes Anerkenntnis enthalten oder nicht. Ich kann mich keiner der beiden eingangs überspitzt dargestellten Auffassungen anschließen.

Um ein befristetes Anerkenntnis aussprechen zu können, muss ein sachlicher Grund bestehen und das befristete Anerkenntnis dem Versicherungsnehmer begründet werden.

Das wird im Regelfall der Mangel an aussagekräftigen medizinischen Unterlagen sein. Salopp, zum Zeitpunkt des Leistungsantrags lag nicht der erforderliche Therapie-, Behandlungs-, Diagnosestand vor, um eine unbefristete Anerkennung erreichen zu können.

Befristete Anerkenntnisse sind somit üblicherweise “Bedienerfehler”.

Ein Laie stellt einen BU-Leistungsantrag “do it yourself”, bekommt zunächst schnell eine befristete Leistung zugesprochen, merkt aber gar nicht, in welche rechtlich nachteilige Lage er sich damit gebracht hat. Gerade Werbegags wie Krebsklauseln aus der jüngeren AVB-Entwicklung erhöhen diese grundlegende Gefahr zusätzlich.

Entscheidet man sich hingegen für einen professionellen Leistungsantrag – ich empfehle den Weg über einen spezialisierten Versicherungsberater – nimmt man dem Versicherer im Regelfall den erforderlichen Grund für eine Befristung. Schlicht, weil beispielsweise der BU-Leistungsnachweis zum richtigen Zeitpunkt anhand aussagekräftiger medizinischer Unterlagen geführt wurde, der unbefristeten Anerkennung kein sachlicher Grund mehr entgegensteht.

Die engelsgleiche Darstellung aus Sicht jener Versicherer, die kein befristetes Anerkenntnis in den Versicherungsbedingungen haben, ist gleichermaßen gefährlich. Nichts hindert einen solchen Versicherer bei mangelhaften medizinischen Unterlagen daran, ein Vergleichsangebot im Sinne von zum Beispiel 2 Jahresrenten Kapitalabfindung abzugeben, statt tatsächlich die Leistungspflicht anzuerkennen.

Entscheidend ist somit nicht “befristetes Anerkenntnis ja oder nein”, entscheidend ist aus meiner Sicht vielmehr der professionelle Leistungsantrag.

Wie so oft: Ausnahmen bestätigen die Regel. Bei komplexen beruflichen und gesundheitlichen Gegebenheiten, insbesondere in Kombination mit mangelnder Absicherung der Zahlungsströme (Thema Krankentagegeld) kann ein befristetes Anerkenntnis im Einzelfall finanziell existenzsichernd sein. Somit im Einzelfall vielleicht sogar ein Vorteil …

Bei meinen Interessenten ist das hoffentlich niemals der Fall, da gerade das Thema Zahlungsströme in der Beratung ausführlich thematisiert wird. Salopp, es sollten eben entweder ausreichende Rücklagen oder eine Krankentagegeldversicherung für die kurzfristige finanzielle Absicherung gegeben sein. Nur so “erkauft” man sich die erforderliche Zeit, um mit geeignetem Therapie-, Behandlungs- und Diagnosestand in den BU-Leistungsnachweis zu gehen.

Von |2022-05-19T21:45:42+02:00Mai 19th, 2022|0 Kommentare

Nachprüfung auf Fortbestand der Berufsunfähigkeit

Wenn Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung unbefristet anerkannt wurden, hat der Versicherer das Recht, den Fortbestand der Berufsunfähigkeitsversicherung nachzuprüfen. Dem Verfahren der Nachprüfung sind generelle formale und bedingungsseitige Grenzen gesetzt.

Was ist eine Nachprüfung in der Berufsunfähigkeitsversicherung?

In der Nachprüfung kann der Versicherer überprüfen, ob seine bereits festgestellte, zeitlich unbegrenzte Leistungspflicht durch zwischenzeitlich neu eingetretene gesundheitliche oder berufliche Veränderungen entfallen ist und er seine Leistungen deshalb wieder einstellen kann.

Für den Versicherungsnehmer, der ggf. erst in Folge einer nervenaufreibenden Erstprüfung, möglicherweise erst nach einer rechtlichen Auseinandersetzung seinen Leistungsanspruch geltend machen konnte, ist dieses Nachprüfungsverfahren eine unmittelbare Gefahr den Leistungsanspruch wieder zu verlieren.

Für den Versicherer ist das Nachprüfungsverfahren wiederum die einzige Möglichkeit, Leistungen bei einer dauerhaft anerkannten Berufsunfähigkeit wieder einzustellen.

Die Nachprüfung ist daher für beide Seiten von zentraler Bedeutung. Dem Ablauf des Nachprüfungsverfahrens sind daher durch eine Vielzahl von Rechtsgrundsätzen, grundlegender Rechtsprechung und natürlich auch durch die Versicherungsbedingungen Grenzen gesetzt.

Im Nachprüfungsverfahren trägt – anders als in der Erstprüfung oder beim befristeten Anerkenntnis – allein der Versicherer die vollständige Darlegungs- und Beweislast.

Die Häufigkeit einer Nachprüfung ist insbesondere von den vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen abhängig. Bei einer durchschnittlichen Berufsunfähigkeit ist etwa alle 2 Jahre mit einer Nachprüfung zu rechnen.

Das kann im Einzelfall auch ein deutlich längerer, oder eben auch (beispielsweise in Folge durch Meldepflichten erhaltener Erkenntnisse) kürzerer Intervall sein.

Bei unheilbaren Krankheiten ist die Nachprüfung zwar nicht generell ausgeschlossen, in Verbindung mit §31 Abs. 1 Satz 1 VVG aber regelmäßig unzulässig, da es an der Erforderlichkeit einer Nachuntersuchung fehlt.

Ist der Versicherer im  formalisierten Nachprüfungsverfahren erfolgreich, darf er die Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung nicht sofort einstellen. Gemäß §174 Versicherungsvertragsgesetz ist dies erst nach Ablauf des dritten Monats nach Zugang der Einstellungsmitteilung beim Versicherungsnehmer möglich.

Nachprüfung in den Versicherungsbedingungen und rechtliche Grundlagen

Nur eine tatsächliche Veränderung der Verhältnisse, beispielsweise eine tatsächlich eingetretene Besserung des Gesundheitszustands, neu aufgetretene Verweisungsmöglichkeiten oder eine tatsächlich getroffene und verwirklichte Umorganisation begründen eine Nachprüfung.

Den Versicherer trifft die volle Darlegungs- und Beweislast.

Die Korrektur einer von Anfang an falschen Leistungsentscheidung im Nachprüfungsverfahren ist unzulässig. Auch zukünftig zu erwartende Veränderung sind, auch bei an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für den Eintritt, keine Begründung für eine Nachprüfung.

Auch allein die unterschiedliche Bewertung eines eigentlich unveränderten Gesundheitszustandes durch einen anderen Gutachter in der Nachprüfung gibt dem Versicherer kein Recht zur Leistungseinstellung (siehe bspw. BGH 28.04.1999 IV ZR 123/98, Ziffer 13).

Salopp, für den Versicherer ist die Einstellung der Leistungen im Zuge einer Nachprüfung ähnlich schwer, wie die Beantragung der BU Leistung für den Versicherungsnehmer. Nachteilige Regelungen in den Versicherungsbedingungen verbessern die Chancen des Versicherers und reduzieren somit die Nachhaltigkeit des Leistungsanspruch aus Sicht des Versicherungsnehmers.

In aktuellen Tarifen ist insbesondere zu prüfen, ob und welche Mitteilungspflichten des Versicherungsnehmers nach Eintritt des Leistungsfall vereinbart sind. In den Versicherungsbedingungen kann auch eine Änderung der Prüfkriterien in der Nachprüfung enthalten sein. Wir schauen uns beides nachfolgend genauer an.

Zudem hat der HDI mit dem Verzicht auf konkrete Verweisung in der Erstprüfung ein Alleinstellungsmerkmal, welches wir ebenfalls unter die Lupe nehmen werden.

Mitteilungspflichten nach Eintritt der Berufsunfähigkeit

Nach Eintritt des Leistungsfalls muss der Versicherungsnehmer nur dann von sich aus Veränderungen mitteilen, wenn solche Mitteilungspflichten ausdrücklich in den Versicherungsbedingungen vereinbart sind.

Wir unterscheiden Mitteilungspflichten zur …

  1. Verbesserung des Gesundheitszustandes / Minderung der Berufsunfähigkeit bzw. Pflegebedürftigkeit
  2. Wiederaufnahme und Änderung einer Tätigkeit
  3. Wiederaufnahme einer Tätigkeit

Der Nachweis einer objektive Veränderung des Gesundheitszustands steht im Mittelpunkt der Nachprüfung. Aus diesem Grund beinhalten einige schwächere BU-Tarife Mitteilungspflichten bei Verbesserung des Gesundheitszustandes oder Minderung der Berufsunfähigkeit. In älteren Tarifen ist diese nachteilige Regelung der Standard.

Ein verständliches Beispiel, Cosmos Direkt Basisschutz 01/2017

Derartige Mitteilungspflichten in Bezug auf die Minderung der Berufsunfähigkeit oder die Verbesserung des Gesundheitszustandes wirken in Bezug auf die aktuellen Tarifgenerationen aus der Zeit gefallen. Eine Berufsunfähigkeitsversicherung mit solchen Bedingungen würde ich heute nicht mehr abschließen, diesbezüglich gibt es mehr als nur ausreichende Alternativen am Markt.

Gleichwohl bezieht sich diese Mitteilungspflicht ausschließlich auf Veränderungen mit direkter Auswirkung auf die 50 % Leistungsgrenze. Wenn Sie überspitzt nur 4 statt 10 Tabletten am Tag nehmen, der BU Grad vielleicht von 88 auf 87 % gefallen sein könnte, besteht keine Mitteilungspflicht.

Andererseits liegen BU-Grade durchschnittlich nur geringfügig über der erforderlichen 50 % Leistungsgrenze und es gibt natürlich keinen guten Grund, dem Versicherer unnötige Munition zur Begründung einer Nachprüfung zu liefern.

Auch neu aufgetretene Verweisungsmöglichkeiten oder eine tatsächlich getroffene und verwirklichte Umorganisation begründen eine Nachprüfung. Entsprechend zielen bedingungsseitig vereinbarte Mitteilungspflichten sehr häufig darauf ab.

Beispiel Wiederaufnahme und Änderung – HUK SBU 2022.01 V1

In dieser leider marktüblichen Variante muss der Versicherungsnehmer nach Eintritt des Leistungsfalls sowohl die Aufnahme einer Tätigkeit, als auch die Änderung einer beruflichen Tätigkeit mitteilen.

Das ist grundsätzlich nicht so problematisch, wie Mitteilungspflichten, die sich auf die Verbesserung des Gesundheitszustands beziehen. Einerseits, weil man bspw. nicht in völliger geistiger Umnachtung einen Arbeitsvertrag unterschreibt, andererseits weil die Schutzbarrieren über die Lebensstellung bei einer beispielsweise konkreten Verweisung natürlich auch in der Nachprüfung erhalten bleiben.

Tarife mit dieser lästigen Regelung sind häufig etwas billiger. Aus meiner persönlichen Sicht kann man es vertragen, wenn in einer Zweivertragslösung ein ergänzender Vertrag diese Regelung aufweist.

Pro forma sei erwähnt, dass es auch noch Varianten gibt (bspw. CosmosDirekt Premium 01.2022), die nur die Wiederaufnahme, aber nicht die Änderung der Tätigkeit als mitteilungspflichtig regeln. In Bezug auf das Thema nachträglich tatsächlich verwirklichte Umorganisation bei Selbstständigen ist das ggf. ein etwas vorteilhaftere Nuance.

Die bequemste und unproblematischste Lösung besteht aber schlichtweg darin, dass die Versicherungsbedingungen keine solchen Mitteilungspflichten vorsehen. Aktuell bieten genügend Gesellschaften eine solche vorteilhaftere Regelung an.

HDI Alleinstellungsmerkmal, konkrete Verweisung erst in der Nachprüfung

HDI verzichtet als einziger BU-Versicherer seit einigen Jahren auf die Möglichkeit einer konkreten Verweisung in der Erstprüfung. Werblich nutzt der HDI dieses Alleinstellungsmerkmal recht intensiv. Doch ist der Verzicht auf die konkrete Verweisung tatsächlich ein großer Vorteil?

Wie immer gilt, es kommt auf den Einzelfall an.

Über die Jahre gab es verschiedene Ausprägungen dieses Alleinstellungsmerkmals des HDI. Früher konnte eine Nachprüfung quasi direkt nach Anerkenntnis erfolgen, in aktuellen Bedingungen jedoch erst nach 6 Monaten. Dieser Aspekt ist allerdings nur in formaljuristischen Szenarien rechtlicher Auseinandersetzungen mit dem Versicherer formal relevant.

Auf den ersten Blick ist der Verzicht auf konkrete Verweisung natürlich ein rechtlicher Vorteil. Würde eine konkrete Verweisung in der Erstprüfung (Sie reichen einen Leistungsantrag ein) geprüft, träfe den Versicherungsnehmer zumindest die Darlegungslast, dass die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit nicht der Lebensstellung des zuletzt vor Eintritt der Berufsunfähigkeit ausgeübten Berufs entspricht.

Kann der Versicherer die konkrete Verweisung erst in der Nachprüfung prüfen, trifft hingegen den Versicherer die volle Darlegungs- und Beweislast.

In der Praxis ist es aber eher nicht üblich, dass bereits zum Zeitpunkt der Erstprüfung eine Tätigkeit ausgeübt wird, die der bisherige Lebensstellung entspricht. Schlicht, weil man im BU-Leistungsfall per Definition nicht gesund ist. Insofern ist der formaljuristische Vorteil eher theoretischer Natur. Ausnahmen mögen diese Regel bestätigen.

Andererseits ist eine so genannte nachgeschobene Nachprüfung grundsätzlich nicht zulässig. Hätte eine konkrete Verweisung bereits zum Zeitpunkt der Erstprüfung geprüft werden können und der Versicherer hat das nicht getan, kann der Versicherer dies auch nicht mehr in der Nachprüfung.

“Hat die Beklagte bei Abgabe des Leistungsanerkenntnisses bestehende Möglichkeiten einer Verweisung auf Vergleichstätigkeiten nicht wahrgenommen, hat sie diese auch für die Zukunft verloren (Senatsurteil vom 13. Mai 1987 – IVa ZR 8/86 – VersR 1987, 753, 754) [BGH 13.05.1987 – IV a ZR 8/86].”

Quelle: BGH Urteil IV ZR 206/91 vom 17.2.1993, Ziffer 33

Da HDI eine zum Zeitpunkt der Erstprüfung mögliche konkrete Verweisung in der Erstprüfung bedingungsseitig nicht prüfen kann, kann der HDI dies dann auch nicht mehr in der Nachprüfung.

Aus meiner Sicht ist aber auch dieser Aspekt eher theoretischer Natur. Im Einzelfall könnte er bei gebrochenen Karriereverläufen (also mehreren bereits vorhandenen, gleichwertigen Ausbildungen / Qualifikationen) zur Anwendung kommen.

Tritt die Berufsunfähigkeit während einer komplexeren, stufenweisen Ausbildung (bspw. Studium der Humanmedizin / Studium der Rechtswissenschaften) ein, und wird im Nachgang eine mit den bis dato erworbenen Qualifikationen ausübbare Tätigkeit ausgeübt, könnte es im Einzelfall ebenfalls ein Vorteil sein. Da aktuelle HDI Bedingungen aber die Lebensstellung des Studenten schon mit dem ersten Studientag auf den Zielberuf abstellen, ist dieser Aspekt zu vernachlässigen.

Fazit zum Thema Nachprüfung und Entscheidungshilfe

Die Nachprüfung ist für Versicherungsnehmer und Versicherer gleichermaßen ein heißes Thema. Zeitgemäße, qualitativ wertige Versicherungsbedingungen sind in der Regel jedoch bereits recht vorteilhaft für den Versicherungsnehmer.

Grundsätzlich sollte man prüfen, ob der Versicherer auf die ursprünglichen Prüfkriterien (meist §2 der AVB) abstellt, das ist aber in der Regel der Fall.

Einen Tarif, der Mitteilungspflichten des Versicherungsnehmers bezüglich Verbesserung des Gesundheitszustands / Minderung der Berufsunfähigkeit vorsieht, würde ich persönlich nicht abschließen. Das würde potentiellen Ärger und potentielle Diskussionen mit dem Versicherer befürchten lassen.

Bezüglich Mitteilungspflichten in Hinblick auf Wiederaufnahme und / oder Änderung der beruflichen Tätigkeit sehe ich die Sache etwas entspannter. Gerade wenn nur ein kleinerer Ergänzungsvertrag diese nicht optimale Regelung hat, kann damit aus meiner Sicht gut leben. Hintergrund dieser Einschätzung ist aber auch, dass meine Interessenten (zu ca. 80 % MINT Absolventen, Medizinstudenten usw. usf.) in der Regel ein hohes Maß an Lebensstellung als Schutzbarriere  für die konkrete Verweisung besitzen.

Bei Abschluss einer Schüler BU, als Auszubildender oder bei Berufen mit geringer Lebensstellung kann man das durchaus anders sehen.

Der Verzicht auf konkrete Verweisung in der Erstprüfung beim HDI ist aus meiner Sicht eher theoretischer Natur, bestenfalls ein nice to have. Natürlich schadet die Story nicht. Es ließen sich auch grundsätzlich Szenarien konstruieren, in denen ein tatsächlicher Vorteil entstünde. In meinen Zielgruppen ist das eher nicht der Fall. Von daher sehe ich das Alleinstellungsmerkmal des HDI für meine Kunden und Interessenten als üblicherweise nicht entscheidungsrelevant an.

Altverträge haben gegenüber zeitgemäßen Tarifen häufig erheblich schlechtere Regelungen in Bezug auf das Thema Nachprüfung. Das allein wäre aber nicht automatisch ein Grund, einen Altvertrag zu Gunsten eines Neuvertrags zu kündigen.

Von |2022-05-09T11:09:59+02:00Mai 9th, 2022|0 Kommentare

AU Klausel – Ein Mehrwert in der Berufsunfähigkeitsversicherung?

Was ist die AU-Klausel? Ist die AU-Klausel in der Berufsunfähigkeitsversicherung sinnvoll? Wann lohnt sich der Mehrbeitrag für Leistungen bei Arbeitsunfähigkeit?

Was ist die AU-Klausel?

Leistungen bei Arbeitsunfähigkeit (AU-Klausel) sind formal eine Leistungserweiterung ggü. dem Kernleistungsversprechen einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Eine Leistung in Folge der AU-Klausel wird marktüblich bei Nachweis einer zusammenhängenden, ununterbrochenen Arbeitsunfähigkeit über 6 Monate erbracht.

Bei den meisten Versicherern fällt für die Vereinbarung dieser Klausel eine Mehrprämie (ca. 6-15 %) an.

Folgt man den werblichen Darstellungen der Versicherer, ermöglicht die AU-Klausel schnelle und einfache Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung. Werbeversprechen sollte man jedoch stets kritisch hinterfragen. Aus meiner persönlichen Sicht bieten AU-Klauseln häufig keinen Mehrwert.

Über die Geschichte der AU-Klausel

Leistungen bei Arbeitsunfähigkeit wurden ursprünglich von der Condor Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft im Jahr 1999 eingeführt.

Das Marketing der Condor prägte insbesondere zwischen 2012 und 2014 das heutige marktübliche Verständnis der AU-Klausel. Und führte in Folge dazu, dass heute im Prinzip alle relevanten BU-Versicherer eine solche Klausel in die Versicherungsbedingungen aufgenommen haben, respektive als Extra gegen Mehrprämie anbieten.

So sah die AU-Klausel der Condor bspw. 01/2012 aus:

Die Condor betonte im Marketing stets, die AU-Klausel leiste allein auf Grund eines “gelben Scheins” (Krankschreibung) und hob die formal unbegrenzte Leistungsdauer regelmäßig hervor. Diese Klausel gibt es heute in aktuellen Versicherungsbedingungen (auch der Condor) so nicht mehr.

Um diese Aussagen zu untermalen wurde damals in Präsentationen mit einem Ablehnungsschreiben eines Mitbewerbers – der Alte Leipziger aus Oberursel – gearbeitet:

Die Alte Leipziger hatte hier anscheinend einen Leistungsfall in Folge eines ärztlichen Gutachtens abgelehnt. Genaueres über diesen Fall ist mir nicht bekannt.

In der Begründung wird erwähnt, dass allein “sechs Monate ununterbrochen krank zu sein” keine BU-Leistung begründe. Hier setzte die Condor an und suggerierte, dass allein der gelbe Schein gemäß hauseigenen Bedingungen ausreichen würde, um die BU-Leistung auszulösen. So wird die AU-Klausel leider auch heute noch von allen Versicherern beworben.

Tatsächlich war es auch damals schon komplizierter. Schon allein dadurch, dass die Condor einen expliziten ärztlichen Nachweis forderte (die ärztlich nachzuweisen ist), was nicht mit einer reinen Krankschreibung verwechselt werden darf.

Die Ratingagentur Franke und Bornberg stufte die AU-Klausel damals noch sinngemäß als Werbegag ein. Rechnet man heute undifferenziert über die Vergleichssoftware von Franke und Bornberg, steht regelmäßig eine Allianz vorn in der Bewertung. Warum? Die Allianz hat die AU-Klausel bereits ohne Mehrbeitrag in den Versicherungsbedingungen integriert. Wählt man die aufpreispflichtige Option auch bei anderen Versicherern dazu, steigt deren Bewertung um bis zu 11 %. So können sich Meinungen von Ratingagenturen über die Jahre ändern …

AU-Klausel in den Versicherungsbedingungen einer Berufsunfähigkeitsversicherung

Die tatsächliche Ausprägung von AU-Klauseln in den Versicherungsbedingungen ist stark unterschiedlich. Das führt auch zum komplexesten Entscheidungsbaum aller meiner Artikel zu den Auswahlkriterien einer Berufsunfähigkeitsversicherung.

AU-Klausel in den Versicherungsbedingungen einer Berufsunfähigkeitsversicherung

Die tatsächliche Ausprägung einer AU-Klausel ist im ersten Schritt eigentlich gar nicht so entscheidend. Aus meiner persönlichen Sicht ist es zunächst wichtiger zu wissen, wann eine AU-Klausel sinnvoll ist. Wenn ich diese Klausel ob individueller Gegebenheiten tatsächlich brauche, sollte ich natürlich auf bestmögliche Formulierungen achten.

Schaut man sich die unterschiedliche Ausprägung von AU-Leistungen in Versicherungsbedingungen genauer an, sollte man insbesondere folgende Merkmale prüfen:

Wir unterscheiden zunächst zwei Arten der AU-Klausel. Zum Einen AU-Klauseln, bei denen zeitgleich ein BU-Leistungsantrag gestellt werden muss, zum Anderen AU-Klauseln wo genau das nicht der Fall ist.

Die bedingungsseitige Notwendigkeit eines zeitgleichen BU-Leistungsantrags ist aus meiner Sicht ein absolutes NoGo, wenn eine AU-Klausel benötigt wird. Die AU-Leistung ist dann keine rechtlich eigenständige Leistungsart, was einen sehr komplexen juristischen Rattenschwanz nach sich zieht.

Eine solche Regelung findet sich bspw. beim HDI im Tarif Ego Top Stand 01/2022:

Abgesehen vom juristischen Rattenschwanz spricht auch eine einfache praktische Überlegung gegen eine solche Klausel. AU-Leistungen machen ja insbesondere dann Sinn, wenn entweder die Komplexität des Berufsbilds oder die Komplexität der gesundheitlichen Beeinträchtigungen einen objektiven BU-Leistungsnachweis erheblich erschweren.

Salopp, beispielsweise dann, wenn der gegebene Therapie-, Behandlungs-, Diagnosestand (medizinische Unterlagen) noch nicht ausreichend ist, um eine BU-Leistung zu beantragen.

Muss ich also mit diesen aktuell noch nicht hinreichenden medizinischen Unterlagen zeitgleich eine BU-Leistung beantragen, ist das für mich eventuell ein sehr nachteiliger Zeitpunkt. Nichts und niemand sollte mir aufzwingen, wann ich meinen BU-Leistungsantrag zu stellen habe.

Wenn ich eine AU-Klausel brauche, dann immer ohne die Notwendigkeit eines zeitgleichen BU-Leistungsantrags.

Die Voraussetzungen für einen Leistungsnachweis über eine AU-Klausel unterscheiden sich in zwei wesentlichen Aspekten. Zum Einen der gesamten zeitlichen Voraussetzungen (Dauer und Prognose), zum Anderen in der Art der vom Versicherungsnehmer zu erbringenden Nachweise.

Eine ideale zeitliche Regelung findet sich beispielsweise in den Versicherungsbedingungen der LV1871 Golden BU 01/2022:

Ein Leistungsnachweis ist möglich, wenn entweder bereits 6 Monate Arbeitsunfähigkeit vorlagen (Dauer), oder bereits 6 Wochen Arbeitsunfähigkeit vorlagen (Dauer) und eine Prognose für insgesamt 6 Monate oder mehr besteht.

Wenn eine AU-Klausel tatsächlich gebraucht wird, sollte die zeitliche Regelung Stand heute genau so (oder theoretisch besser) aussehen. Marktüblich ist, dass nur die 6 Monate bereits zurückgelegte Dauer Leistungsvoraussetzung sind.

Die Regelungen zur Art des Leistungsnachweises sind wiederum nicht nur am heutigen Markt, sondern insbesondere auch im Vergleich zu Alttarifen stark unterschiedlich.

In älteren Tarifgenerationen reicht beispielsweise die reine Krankschreibung regelmäßig nicht aus, die Arbeitsunfähigkeit ist ärztlich nachzuweisen. Das meint,  aussagekräftige medizinische Unterlagen sind vom Versicherungsnehmer vorzulegen. Und genau das nicht tun zu müssen ist ja einer der theoretischen, vielfältig beworbenen Vorteile einer AU-Klausel.

Ob der vielfältigen unterschiedlichen Ausgestaltungen hinsichtlich der erforderlichen Nachweise in aktuellen und älteren Tarifgenerationen wäre eine umfassende Erläuterung anhand von Beispielen schlicht erschlagend.

Grundsätzlich gilt: Wenn ich eine AU-Klausel tatsächlich brauche, sollte der Leistungsnachweis allein durch Atteste (Krankschreibungen) erbringbar sein und möglichst für alle Arten von Erwerbstätigkeit sauber geregelt sein.

Dies ist beispielsweise in der Golden BU der LV1871 01.2022 der Fall:

In diesem Beispiel ist der Leistungsnachweis für alle Arten von Erwerbstätigen, sowie für gesetzlich als auch für privat Krankenversicherte sauber und abschließend geregelt.

Marktüblich wird häufig nur der deutsche Arbeitnehmer (und Azubi) mit §5 EntgFG sauber abgebildet, das greift zu kurz. Weiterhin ist der individuelle Einzelfall  bei der Auswahl geeigneter Versicherungsbedingungen zu berücksichtigen, beispielsweise wenn geplant ist, zukünftig im Ausland zu arbeiten.

Martküblich bedingt die Definition einer Arbeitsunfähigkeit im Sinne einer Berufsunfähigkeitsversicherung eine ununterbrochene Arbeitsunfähigkeit von 100 %. Das heißt wirklich, dass am Freitag nicht versäumt werden darf, die AU-Bescheinigung zu verlängern, damit sie nicht am Montag unterbrochen wird.

Das heißt auch, dass “Probearbeiten” ( Arbeitsversuch nach § 74 SGB V und § 44 SGB IX) oder “Überobligation” (Arbeiten obwohl man eigentlich gar nicht mehr kann) eine Unterbrechung der zusammenhängenden Arbeitsunfähigkeit darstellen und zu einer Nichtleistung führen können.

Die Regelungen (und ergänzende Rechtsprechung) in der Krankentagegeldversicherung ist hier regelmäßig erheblich besser für den Versicherungsnehmer.

Allerdings gibt es auch in den Versicherungsbedingungen unterschiedliche Ausprägungen dieses Teilaspekts. Gute AU-Klauseln sollten wenigstens Wiedereingliederungsversuche nicht als Unterbrechung der zusammenhängenden Arbeitsunfähigkeit werten.

Eine sehr verständliche Formulierung dazu findet sich beispielsweise bei der Basler SBU 01.2022:

Bei näherer Betrachtung ist aber selbst diese Regelung unvollständig, da neben §74 SGB V noch die weitreichendere Definition für Menschen mit Behinderungen gem. §44 SGB IX besteht. Besser geregelt ist dies bei der LV1871 Golden BU 01.2022:

Ob solche Nuancenunterschiede im Einzelfall tatsächlich relevant werden, ist natürlich eine andere Frage. Wird eine AU-Klausel tatsächlich benötigt, sollte man meiner Meinung nach auf eine möglichst saubere und abschließende Regelung aller Teilaspekte Wert legen.

Dieses Kriterium ist denkbar einfach zu bewerten. Marktüblich sind die Leistungen wegen Arbeitsunfähigkeit auf 18 bis 36 Monate begrenzt. Die häufigste Leistungsdauer beträgt derzeit 24 Monate.

Es gibt ältere Tarife (bspw. Condor), in welchen die Leistungsdauer der AU-Klausel formal nicht begrenzt ist.

Die Basler SBU 01.2022 bietet mit 36 Monaten eine der längsten Leistungsdauern:

Obwohl gerade dieser Aspekt so einfach zu vergleichen ist, ist er aus meiner Sicht eher nachrangig. Die Wahrscheinlichkeit, dass bspw. 32 Monate zusammenhängende Arbeitsunfähigkeit vorliegen, ohne das auch der BU-Leistungsfall vorliegt, dürfte nur mathematisch betrachtet über 0 liegen.

Die am Markt häufigste Ausprägung mit 24 Monaten Leistungsdauer halte ich für in der Praxis völlig hinreichend.

Im Regelfall ist die AU-Klausel ein Extra, welches gegen Zahlung eines Mehrbeitrags optional eingeschlossen werden kann. Wobei wir am Markt zwischen klickbaren Optionen (ich bastele mir da jetzt eine AU-Klausel rein) und eigenständigen Tariflinien mit AU-Klausel unterscheiden müssen.

Erstere Variante ist häufiger die preislich günstigere Variante, die Kosten einer AU-Klausel liegen dann bei bis zu 10 % Mehrbeitrag. Eigenständige Tariflinien  (beispielsweise Bayerische Komfort Plus statt Komfort) sind häufig die teurere Variante, der Mehrpreis kann dann je nach Gegebenheiten schnell auch mal bei 15 % liegen.

Selbstverständlich gibt es Ausnahmen von der Regel. So ist beispielsweise bei der Allianz die AU-Klausel automatisch integriert.

Aus meiner persönlichen Sicht und ausgehend von meinen rund 80 % MINT Kunden ergibt eine AU-Klausel generell nur selten Sinn. Wenn ich allerdings tatsächlich eine AU-Klausel benötige, sollte der Fokus auf idealen Versicherungsbedingungen und nicht auf wenigen Euro Prämienunterschied liegen.

Auch dieser Aspekt der preislichen Ausgestaltung ist meiner Meinung nach nachrangig.

Dieser Aspekt ist erst in der jüngeren Vergangenheit in den Versicherungsbedingungen neu aufgenommen worden. Was erstaunlich ist, denn je nach individuellem Einzelfall kann das durchaus ein sehr relevanter Aspekt aus Kundensicht sein.

Konkret meint das BU-Abschlüsse in sehr jungen Jahren (insbesondere Schüler-BU). Schließe ich bspw. in weiser Voraussicht für mein 10jähriges Kind eine Berufsunfähigkeitsversicherung ab, ist der weitere berufliche Werdegang völlig unklar.

Für den Schüler selbst ist die AU-Klausel sehr wahrscheinlich völlig irrelevant, je nach weiterem beruflichen Werdegang kann sie aber zukünftig relevant werden. Zur Lösung dieses Grundproblems gibt es aktuell zwei unterschiedliche Ansätze am Markt.

LV1871 Golden BU 01.2022 via Ausbildung / Studium + Berufseinstieg

Gerade bei Abschluss eine Schüler BU ist diese neue Regelung sinnvoll und somit auch Teil meiner grundlegenden Auswahlkriterien in Bezug auf die Schüler BU. Auch bei Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung als Auszubildender oder Student könnte diese Regelung Sinn ergeben.

Allerdings dauert so ein Erwerbsleben ja schnell mal mehr als 30 oder 40 Jahre. Die Regelung der LV1871 ist jedoch auf den erstmaligen Berufseinstieg, respektive auf einen Berufseinstieg nach Abschluss einer Ausbildung oder eines Studiums limitiert.

Es besteht also keine Möglichkeit eine AU-Klausel bei einem späteren Berufswechsel ohne vorhergehendem Abschluss einer Ausbildung / eines Studiums nachträglich zu integrieren.

Unter Umständen weitreichender ist da die Regelung der Nürnberger Komfort 01.2022 via Upgrade Option.

Eine ideale Regelung ist das natürlich auch nicht, da die Option auf die Vollendung des 40. Lebensjahres begrenzt ist. Zudem hat die Nürnberger gerade im Kontext Schüler BU doch noch einige weitaus relevantere Schwächen.

Diese Optionen sind recht neu und stehen somit erst am Anfang in Bezug auf Entwicklung und Wettbewerb. Es bleibt zu hoffen, dass in zukünftigen Tarifen mehr oder bessere Optionen zu finden sein werden.

Werbung und Realität –  (Wann) Ist die AU Klausel sinnvoll?

Glaubt man der Werbung der Versicherer, sind AU-Klauseln immer sinnvoll. Für den Versicherer sind sie das auch, denn …

  1. der Versicherer erhält eine Mehrprämie
  2. (zeitlich befristete) Rückstellungen für Leistungen bei Arbeitsunfähigkeit sind für den Versicherer kostengünstiger als Rückstellungen für eine dauerhaft anerkannte Berufsunfähigkeit

Ob die AU-Klausel auch aus Sicht des Versicherungsnehmers einen echten Mehrwert darstellt, ist ungleich schwerer zu beantworten. Wir schauen es uns nachfolgend in Ruhe an.

In der marktüblichen Definition einer AU-Klausel werden gesundheitliche Beeinträchtigungen benötigt, die eine zusammenhängende Krankschreibung für 6 Monate erzeugen. Eine Vielzahl von Krankheiten kann zu diesem Szenario führen. Die wichtigere Frage ist aber: In welchen Szenarien liegt nicht ebenfalls eine  bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vor?

Und da gehen Werbung der Versicherer und die Realität doch deutlich auseinander.

Unwiderlegbare Vermutung – Oder was Versicherer und Versicherungsvermittler üblicherweise nicht erzählen

Der Rechtsgrundsatz der unwiderlegbaren Vermutung (auch Fiktion oder fingierte Berufsunfähigkeit genannt) ist juristisch gesehen Teil der Dauer und immer im Kernleistungsversprechen einer Berufsunfähigkeitsversicherung automatisch integriert.

Stark vereinfacht: Sind die gesundheitlichen Beeinträchtigungen derart schwer ausgeprägt, dass es effektiv keine zwei unterschiedlichen ärztlichen Meinungen über das Vorliegen einer Berufsunfähigkeit geben kann, gilt die BU als eingetreten, die 6 Monate Prognose als fiktiv erfüllt. Der komplexe Leistungsnachweis anhand Therapie-, Behandlungs- und Diagnosestand entfällt weitgehend.

Denkbare Beispiele: Schwerer Herzinfarkt, Schlaganfall oder eine schwere Krebserkrankung mit entsprechenden Folgen

Nun ist es in der Praxis so, dass die für eine 6monatige zusammenhängende, ununterbrochene Krankschreibung in Frage kommenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen eine erhebliche Schnittmenge mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Sinne der unwiderlegbaren Vermutung aufweisen.

Platter formuliert: Wer 6 Monate ununterbrochen krankgeschrieben ist, wird sehr wahrscheinlich eine Krankheit haben, welche die Voraussetzungen für eine Fiktion / unwiderlegbare Vermutung / fingierte Berufsunfähigkeit erfüllt.

Der wesentliche Unterschied ist, dass eine unwiderlegbare Vermutung immer noch zumindest grundlegend anhand medizinischer Unterlagen, die AU-Leistung im Idealfall nur anhand der zusammenhängenden Krankschreibung nachzuweisen sind.

Gleichwohl führt der Rechtsgrundsatz der unwiderlegbaren Vermutung jedoch dazu, dass ich eine AU-Klausel häufig überhaupt nicht brauche. BU Leistungen zudem via unwiderlegbare Vermutung zeitlich vor Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen einer AU-Klausel ausgelöst werden.

Ausnahmen bestätigen diese Regel.

Eine AU-Klausel ist damit nicht pauschal sinnfrei. Aber gerade im Kontext klarer prägender Fähigkeiten häufig entbehrlich. Solche klaren prägenden Fähigkeiten haben insbesondere (schwer) körperlich Tätige und jene Erwerbstätigen mit hohem Anspruch an die kognitive Leistungsfähigkeit.

In meinem beruflichen Alltag mit 80 % MINT Kunden ist die AU-Klausel entbehrlich. Ich habe im gesamten Bestand (Mai 2022) genau 3 AU Klauseln.

Die springende Frage bleibt also: Wann brauche ich unbedingt eine AU-Klausel? Das schauen wir uns im theoretischem Praxisbeispiel zur AU-Klausel bei diffizilem Tätigkeitsbild genauer an.

Nachfolgend findet sich zunächst noch eine Zusammenfassung der klassischen Werbemythen rund um die AU-Klausel und meine jeweilige Einschätzung dazu:

Auch wenn Leistungen bei Arbeitsunfähigkeit beantragt werden, muss der Versicherer die Erfüllung der vorvertraglichen Anzeigepflichten prüfen. Das kostet immer und grundsätzlich Zeit. Insbesondere wenn sich Berichts- und Anfragebingo zwischen Versicherer und Ärzten über Wochen hinzieht.

Die Suggestion, man müsse einfach nur seine Krankschreibung für eine Leistung vorlegen, ist in der Praxis einfach nicht zutreffend. Man könnte hier entgegenhalten, dass sich die VVA Prüfung idR nur auf Verträge bezieht, die bei Leistungsantrag nicht älter als 10 Jahre sind.

Erschwerungen durch Leistungsausschlüsse gelten im Regelfall auch für AU-Leistungen. Einer von mehreren Gründen, warum Versicherer üblicherweise die Diagnosen auf der “Krankschreibung” verlangen.

Tatsächlich sind AU-Leistungen vor allem werblich / vertrieblich motiviert. Es ist salopp viel einfacher zu sagen, “du bekommst Kohle bei Krankschreibung” als den komplexen, real aber viel weitreichenderen Leistungsnachweis einer Berufsunfähigkeitsversicherung erklären zu müssen.

Diese Grundaussage ist gleichermaßen wahr wie falsch. AU-Leistungen haben ihre eigene Form des Leistungsnachweises, beispielsweise über zusammenhängende Krankschreibungen nach § 5 EntgFG.

Für die BU-Rente ist jedoch die Summe der gesundheitlichen Beeinträchtigung in Relation zur 50 % Leistungsgrenze in Relation zum zuletzt ausgeübten Beruf anhand geeigneter medizinischer Unterlagen nachzuweisen. Salopp: Anhand von Therapie-, Behandlungs-, Diagnosestand zu objektivieren.

Der BU-Leistungsnachweis ist also nicht allein durch eine Krankschreibung automatisch erbracht. Inhaltlich ein erheblicher Unterschied zu “Wer (6 Monate) AU ist, ist noch lange nicht BU”.

Die vertrieblich beabsichtigte Schlussfolgerung aus dieser Eingangsaussage ist aber das eigentliche Problem. Hier werden schlicht Ängste bedient ( … böser BU Versicherer zahlt nicht …) und ein vermeintlich einfacherer / besserer Lösungsweg gegen Mehrbeitrag verkauft.

Diese Werbeaussage eines einfachen und besseren Lösungswegs ist im Regelfall praktisch und theoretisch völlig unbegründet.

Manche Versicherer setzen einen zeitgleich zur Beantragung von AU-Leistungen gestellten BU-Leistungsantrag voraus. Um nichts in der Welt würde ich mir vom Versicherer aufzwingen lassen, wann ich meinen BU-Leistungsantrag zu stellen habe. Das tue ich, wenn ich den erforderlichen Therapie-, Behandlungs- und Diagnosestand für einen sauberen medizinischen Leistungsnachweis zusammengetragen habe. Keine Minute früher.

In einigen Versicherungsbedingungen reicht bereits die Beantragung (unabhängig von erbrachten Leistungen) aus, um schwerwiegende Konsequenzen für das Anrecht auf Nachversicherung oder auch Beitragsdynamiken herbei zu führen. Leistungsanträge sollten auch daher generell nicht unüberlegt und voreilig gestellt werden. Gerade das Problem befeuert die aus meiner Sicht zum Teil grenzwertige Werbung mit AU-Klauseln jedoch.

Theoretisches Praxisbeispiel zur AU-Klausel bei diffizilem Tätigkeitsbild

Bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit muss der Versicherungsnehmer dem Versicherer anhand geeigneter medizinischer Unterlagen in Relation zur 50 % Leistungsgrenze, in Relation zum zuletzt ausgeübten Beruf stets ärztlich nachweisen.

Das geschieht in der Praxis entweder quantitativ oder qualitativ. Meint, entweder führen die kumulierten Beeinträchtigung in Summe zu einer Leistungseinschränkung von 50 % (quantitativ) oder die gesundheitlichen Beeinträchtigungen beeinflussen prägende Tätigkeiten derart stark, dass kein sinnvolles restliches Tätigkeitsbild mehr verbleibt oder kein sinnvolles Arbeitsergebnis mehr zu erwarten ist (qualitativ).

Beispiel:

Kann ein Neurochirurg in Folge eines Tremors in den Händen (salopp, Zittern) nicht mehr operieren, ist er / sie berufsunfähig. Völlig losgelöst von zeitlichen Komponenten oder weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Eben weil eine Kernfähigkeit (das Operieren) entfällt und diese Kernfähigkeit als unverzichtbare, prägende Tätigkeit des Neurochirurgen auf der Hand liegt.

Bei kognitiv anspruchsvollen Berufen mit bspw. akademischem Hintergrund lassen sich praktisch immer solche Kernfähigkeiten / prägende Tätigkeiten identifizieren. Bei Büro- und Kopfberufen ist das beispielsweise immer und grundsätzlich wenigstens die Konzentrationsfähigkeit, die unter anderem durch ein chronisches Schmerzleiden oder durch psychische Erkrankungen erheblich beeinträchtigt sein kann.

Das gilt analog für körperlich sehr anspruchsvolle Tätigkeiten bei Einschränkungen der körperlichen Leistungsfähigkeit.

Doch was ist, wenn der eigene Beruf aus unterschiedlichen Teiltätigkeiten (oder mehreren Jobs) besteht und klare prägende Tätigkeiten nicht zweifellos ausgemacht werden können? Was, wenn dem Leistungsnachweis zusätzliche Fallstricke entgegen stehen (bspw. das Thema Umorganisation bei Selbstständigen)?

Das inzwischen nicht mehr so ganz taufrische Urteil vom OLG Hamm vom 18.02.2005 bezüglich der Umorganisation eines Gastrounternehmers ist ein gutes Verständnisbeispiel.

Stark vereinfacht: Ein Gastrounternehmer verlor in Folge gesundheitlicher Beeinträchtigungen an Wirbelsäule und den Knien die Fähigkeit länger zu stehen oder schwer zu heben. Der Leistungsnachweis war insbesondere darauf aufgebaut. Meint, der Versicherungsnehmer machte geltend, dass er nicht mehr kochen, kellnern oder selbst auf dem Großmarkt qualitativ hochwertige Waren einkaufen kann.

Tatsächlich beschäftigte er aber bereits angestellte Köche und Kellner. Er führte mit weiterer Einstellung eines Kellners bereits erfolgreich eine Umorganisation des Betriebs durch, ohne erhebliche finanzielle Folgen. Das OLG Hamm kam entsprechend zur Schlussfolgerung, dass nach Umorganisation keine Einschränkung von mehr als 50 % im zuletzt ausgeübten Beruf vorläge.

Schlussfolgerung: Immer dann, wenn ein diffiziles Tätigkeitsbild vorliegt, kann die AU-Klausel eine zeitliche Determinante im Sinne der Zahlungsströme sein.

Der Gastrounternehmer ist das Paradebeispiel. Der wird im Regelfall kein Akademiker sein, oder zumindest nicht 90 % im Büro arbeiten. Zudem wird er als ernsthafter Gastrounternehmer mehr als 5 Mitarbeiter beschäftigen. Hinsichtlich dem letzten scharfen Schwert der BU-Leistungsfallprüfung, der so genannten Umorganisationsklausel, langt der Betroffene also “voll in die Scheiße”.

Zudem wird es schwierig und langwierig sein, prägende Tätigkeiten zu identifizieren, wenn bspw. gekellnert, gekocht, Akquise betrieben, Mitarbeiter geleitet, Produkte eingekauft (etc. pp.) werden …

Man ist also eher im schwächeren quantitativen, denn im stärkeren qualitativen Leistungsnachweis über klare prägende Tätigkeiten.

Das kann in der Praxis dazu führen, dass die Beantragung von BU-Leistungen sehr komplex und langwierig wird. Eine AU-Klausel wäre in diesem Ausnahmefall eine sinnvolle zeitliche Begrenzung bis zur Auslösung eines Zahlungsstromes. Denn mit einer zusammenhängenden Krankschreibung (bspw. 6 Monate) wäre erstmal eine Leistung ausgelöst, egal wie viele offene Fragen es noch in der BU-Leistungsfallprüfung zu klären gibt.

Ob diese zeitliche Begrenzung bei vernünftiger ergänzender Absicherung – insbesondere Krankentagegeldversicherung – notwendig ist, ist eine andere Frage.

Bei diffizilen Tätigkeitsbildern oder wenn mein Interessent plant, sich dahingehend beruflich zu verändern, würde ich immer eine AU Klausel als sinnvoll empfehlen.

AU-Klausel oder Krankentagegeld?

Im Sinne der Einkommensströme halte ich die ergänzende Absicherung über eine Krankentagegeldversicherung häufig für sinnvoller als die AU-Klausel.

Zudem sind einige Wechselwirkungen zwischen AU-Klausel und bestehender Krankentagegeldversicherung zu berücksichtigen. Das im Detail auszuführen, würde für 2-3 weitere Artikel reichen. Entsprechend verzichte ich darauf an dieser Stelle.

Eine Krankentagegeldversicherung ist beispielsweise pauschal für jeden PKV-Versicherten sinnvoll. Für gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer mit 6 Wochen Lohnfortzahlung macht sie insbesondere dann Sinn, wenn die zu erwartenden Einbußen im Zuge des gesetzlichen Krankengelds finanziell problematisch wären.

Letzten Endes ist die Berufsunfähigkeitsversicherung als mittelfristige Absicherung zu begreifen. Heißt, zwischen subjektiv empfundenen “ich bin BU” und objektivem Leistungsnachweis anhand aussagekräftiger medizinischer Unterlagen können gut und gern 8-10 Monate liegen. Das kann zu erheblichen finanziellen Lücken in dieser Zeit führen, auch wenn die BU später rückwirkend leistet. Beispielsweise bei laufender Baufinanzierung oder wenn das Einkommen eines Alleinverdieners zur Versorgung der Familie vollständig benötigt wird …

In jedem Fall sollte man dieses Grundproblem der Zahlungsströme auf dem Radar haben und auf die ein oder andere Weise lösen. Für Vermittlung und Beratung rund um Krankentagegeldversicherung und private Krankenversicherung empfehle ich aus fachlicher Sicht meinen geschätzten Maklerkollegen Walter Benda.

Fazit zur AU-Klausel und Entscheidungshilfe

Im Gegensatz zur marktüblichen Meinung halte ich AU-Klauseln weder für pauschal notwendig, noch für pauschal sinnvoll.

Bei den vehementen, undifferenzierten Befürwortern dieser Klauseln sollte man immer bedenken, dass Weiterbildung für Versicherungsmakler zu 99 % kostenlos in (Werbe-)Veranstaltungen der Versicherer stattfindet. Fachlich schwache Vermittler werden in AU-Klauseln immer ein vertriebliches Highlight sehen.

Zeitgleich sind AU-Klauseln aber eben auch nicht pauschal überflüssig. Es kommt immer auf den tatsächlichen Einzelfall an.

Interessenten mit diffizilen Tätigkeitsbildern würde ich zu einer AU-Klausel raten. Bei Abschluss einer Schüler-BU in jungen Jahren sollte die bedingungsseitige Option eine AU Klausel nachträglich einzuschließen als sinnvoll erachtet werden.

Wenn man allerdings tatsächlich eine AU-Klausel braucht, sollte die Ausgestaltung dieser AU-Klausel in den wesentlichen Teilaspekten mustergültig sein. Die Erfordernis eines zeitgleichen BU-Leistungsantrags, unklare Regelungen bezüglich der erforderlichen Nachweise, sowie schwache oder fehlende Regelungen für “Unterbrechungen” der ununterbrochenen Arbeitsunfähigkeit sind essentielle NoGos.

Von |2022-05-04T14:28:42+02:00Mai 4th, 2022|0 Kommentare

Leistungsausschluss Verkehrsdelikte in der Klausel Verbrechen & Vergehen

Zahlt die Berufsunfähigkeitsversicherung, wenn ich in Folge einer Verkehrsstraftat oder einer Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr berufsunfähig werde?

Die Klausel Verbrechen und Vergehen habe ich früher einfach mit “Sie gehen mit einer Maske in die Bank um Geld abzuheben …” erklärt. In Zeiten von Corona ging oder geht jeder mit Maske in die Bank. Gemeint ist natürlich, Sie gehen mit Waffe und Maske in die Bank, salopp ein Banküberfall.

Nun schießen Sie sich dabei versehentlich ins eigene Bein und werden in Folge berufsunfähig. Blöd gelaufen, denn der Banküberfall war zweifelsfrei eine Straftat, eine Leistung aus der Berufsunfähigkeitsversicherung ist nicht zu erwarten.

Was lapidar, ggf. sogar amüsant klingt, ist zumindest emotional ein durchaus weitreichendes Thema. Denn Verbrechen und Vergehen begegnen uns auch in einem  anderen Bereich, von dem wir alle tagtäglich betroffen sind. Im Straßenverkehr, egal ob als Fußgänger, Radfahrer oder Autofahrer.

  1. Verbrechen = Verkehrsstraftat
  2. Vergehen = Ordnungswidrigkeit

Beispiele in Bezug auf Verkehrsdelikte aus den Versicherungsbedingungen

Der Paragraf zur den Leistungsausschlüssen beginnt grundsätzlich mit “Wir wollen grundsätzlich leisten … bla bla …”, “… wir leisten aber nicht, wenn die Berufsunfähigkeit verursacht wurde durch …”. Die nachfolgenden Aufzählungen in der Klausel sind dann die Leistungsausschlüsse.

Es gibt am Markt sehr unterschiedliche Varianten der Klausel Verbrechen und Vergehen, nachfolgend zwei Beispiele mit sehr deutlichem Unterschied.

Wiedereinschluss aller Verkehrsdelikte am Beispiel

LV1871 Golden BU Stand 01/2022

Die LV1871 schließt zunächst Straftaten (Versuch oder Durchführung) pauschal aus. Schließt dann aber Verkehrsdelikte und fahrlässige Verstöße pauschal wieder ein. Verkehrsdelikte sind wiederum der Oberbegriff für Ordnungswidrigkeiten und Verkehrsstraftaten.

Das Thema Straßenverkehr wird also vollständig wieder eingeschlossen. Diese theoretische Musterregelung haben nur recht wenige Gesellschaften, neben der LV1871 beispielsweise traditionell die Alte Leipziger, seit kurzem auch der HDI.

Ausschluss vorsätzliche Ordnungswidrigkeiten und Verkehrsstraftaten am Beispiel

Bayerische Komfort, Stand 01/2022

In dieser Variante werden zunächst Straftaten (Versuch oder Durchführung) pauschal ausgeschlossen. Es folgt der Wiedereinschluss für fahrlässige und grob Fahrlässige Verstöße (z.B. im Straßenverkehr).

Das meint, fahrlässige und grobfahrlässige Ordnungswidrigkeiten (Verstöße) werden wieder eingeschlossen, vorsätzliche Ordnungswidrigkeiten sowie generell alle Verkehrsstraften bleiben ausgeschlossen.

Diese Variante der Klausel ist marktüblich, also bei den meisten Gesellschaften so oder so ähnlich ausgeprägt.

Rechtliche Grundlagen Verkehrsstraftaten

Ordnungswidrigkeiten und Verkehrsstraftaten lassen sich grob dadurch unterscheiden, dass Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr üblicherweise nur mit einer Geldstrafe, Verkehrsstraftaten hingegen auch mit einer Freiheitsstrafe geahndet werden können.

Die gängigste Ordnungswidrigkeit im Kontext ist die einfache Geschwindigkeitsüberschreitung, welche einfach fahrlässig bis vorsätzlich begangen werden kann.

Verkehrsstraftaten finden sich insbesondere im §315b, c und d StGB. Wobei der §315c StGB die größte theoretische Relevanz im Kontext hat. Dieser besteht wiederum aus zwei wesentlichen inhaltlichen Teilen.

Im Absatz 1 Satz 1 geht es um Alkohol, Drogen und geistige / körperliche Mängel. Alkohol und Drogen dürfte das sein, woran zunächst jeder im Kontext Verkehrsstraftat denken würden.

Problematischer ist aber der zweite Teil, Absatz 1 Satz 2:

(1) Wer im Straßenverkehr
2. grob verkehrswidrig und rücksichtslos

  • a) die Vorfahrt nicht beachtet,
  • b) falsch überholt oder sonst bei Überholvorgängen falsch fährt,
  • c) an Fußgängerüberwegen falsch fährt,
  • d) an unübersichtlichen Stellen, an Straßenkreuzungen, Straßeneinmündungen oder Bahnübergängen zu schnell fährt,
  • e) an unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Seite der Fahrbahn einhält,
  • f) auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen wendet, rückwärts oder entgegen der Fahrtrichtung fährt oder dies versucht oder
  • g) haltende oder liegengebliebene Fahrzeuge nicht auf ausreichende Entfernung kenntlich macht, obwohl das zur Sicherung des Verkehrs erforderlich ist,

und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Quelle: §315c StGB Stand 03.05.2022

Schaut man sich die Beispiele aus den Spiegelstrichen an, wird man wohl zugeben müssen, das ein oder andere schon mal getan zu haben oder hin und wieder zu tun. Nur hat man die finale Voraussetzung nicht erfüllt, die Gefährdung von Leib und Leben anderer Menschen (oder Sachen von bedeutendem Wert).

Salopp formuliert: Es ist gar nicht mal so schwer eine Verkehrsstraftat zu begehen. Doch welche praktischen Auswirkungen hat das nun, wenn wir eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen wollen?

Beispiele und Erläuterungen zum Verständnis der Klausel

Nähern wir uns der Problematik zunächst einmal mit verständlichen, bewusst vereinfachten Beispielen.

Beispiel fahrlässige Ordnungswidrigkeit

Herbst, nasse Landstraße, bedeckt mit Laub, 70er Zone aber wir fahren 120 km/h. Nun kommt eine Kurve, in der wir aber rechts rausrutschen. In Folge kommt es zu einer Berufsunfähigkeit.

Die Story bezahlt jeder Versicherer, völlig egal wie schlecht die Klausel Verbrechen und Vergehen ausgestaltet ist. Die ganze Story war einfache, schlimmstenfalls grobe Fahrlässigkeit.

Beispiel vorsätzliche Ordnungswidrigkeit

Herbst, nasse Landstraße, bedeckt mit Laub, 70er Zone aber wir fahren 120 km/h. Nun kommt eine Kurve, in der wir aber rechts rausrutschen. Die Feuerwehr kommt, um uns aus dem Wrack zu schneiden, die Polizei steht daneben und wir stammeln noch “Ich musste doch schnell nach Hause, meine Frau liegt in den Wehen.”. In Folge kommt es zur Berufsunfähigkeit.

An dieser Stelle haben wir selbst Vorsatz zugegeben. Man könnte Bände mit landesgerichtlicher und oberlandesgerichtlicher Rechtsprechung zum Thema vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung füllen. Quintessenz: Man muss schon extrem übertrieben haben, damit ein Vorsatz unabhängig von “ich gebe den Vorsatz selbst zu” angenommen werden kann.

Problem, im oberen Beispiel der Bayerischen sind vorsätzliche Ordnungswidrigkeiten bereits ausgeschlossen. Theoretisch also nicht vom Versicherungsschutz erfasst.

Beispiel Verkehrsstraftat

Herbst, nasse Landstraße, bedeckt mit Laub, 70er Zone aber wir fahren 120 km/h. Nun kommt eine Kurve, in der wir aber LINKS rausrutschen. Wir nehmen den entgegenkommenden Familienvater mit, der schwer verletzt oder getötet wird. Wir selbst werden in Folge berufsunfähig.

Da wir Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdet haben und an unübersichtlichen Stellen zu schnell gefahren sind, könnte es unter Umständen eine Verkehrsstraftat gewesen sein.

Verkehrsstraftaten sind nur bei sehr wenigen Versicherern nicht ausgeschlossen, siehe obiges Beispiel LV1871.

Fazit zur Klausel und Entscheidungshilfe

Das Thema Straßenverkehr ist ein sehr emotionales Thema, schlicht weil wir quasi alle davon betroffen sind. Auf Basis der vorhergehenden Beispiele müsste man zu dem Schluss kommen, dass besser ein Tarif mit theoretisch perfekter Klausel zu wählen wäre.

Es lauert jedoch ein großes ABER.

Der leistungsunwillige Versicherer muss die Kausalität zum Leistungsfall beweisen und das platt formuliert ähnlich mathematisch eineindeutig. Meint, der Leistungsfall muss direkt kausal zur bspw. begangenen Straftat sein.

Das ist für den Versicherer ein schwieriges bis hoffnungsloses Unterfangen.

Beispiel:

Wir begehen eine wie auch immer geartete Verkehrsstraft, in Folge überschlagen wir uns, die Karre geht wie in einem Hollywoodfilm in Flammen auf, 2/3tel unserer Haut verbrennen, wir werden in Folge berufsunfähig.

Die Kausalität war schlicht, dass die Karre in Flammen aufgegangen ist, in Folge 2/3tel der Haut verbrannt sind und wir nun berufsunfähig sind. Die Straftat davor spielt überhaupt keine Rolle.

Das ist auch der Grund, warum dieser Aspekt der Klausel Verbrechen und Vergehen nahezu keinerlei spürbare Praxisrelevanz besitzt. Es ist kaum möglich eine direkte Kausalität herzustellen. Ambitionierte Interessenten versuchen das in der Beratung immer mal wieder, der Rekord liegt bei knapp 15 Minuten. Gelungen ist es noch keinem.

Ich will das Thema nicht künstlich klein reden. Habe ich eine schmerzfreie Wahl und ansonsten nahezu identische Auswahlparameter, nehme ich natürlich die theoretisch bessere Klausel an dieser Stelle. Eine grundsätzliche Entscheidung allein auf Basis dieser Klausel würde ich mangels Praxisrelevanz selbst jedoch nicht treffen.

Gerade in der von mir sehr häufig eingesetzten Zweivertragskonstellation spielt es praktisch keine Rolle, wenn einer der beiden Versicherer hier eine schlechtere Klausel hat.

Platter formuliert: Eine gute Klausel an dieser Stelle ist bestenfalls emotional nice to have, aber aus meiner Sicht keine Entscheidungsgrundlage für oder gegen einen bestimmten Tarif.

Von |2022-05-04T09:54:41+02:00Mai 3rd, 2022|0 Kommentare

Berufsunfähigkeit in Folge Pflegebedürftigkeit

Berufsunfähigkeit in Folge Pflegebedürftigkeit ist eine der Leistungserweiterungen in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Die meisten dieser additionalen Leistungsauslöser sind mehr oder weniger Werbegags. Eine gute Definition zur Berufsunfähigkeit in Folge Pflegebedürftigkeit kann im Einzelfall aber durchaus hilfreich sein, Zeit und Nerven im Zuge eines Leistungsantrags sparen.

Inhalt dieses Artikels

  1. Was ist Berufsunfähigkeit in Folge Pflegebedürftigkeit
  2. Berufsunfähigkeit in Folge Pflegebedürftigkeit als vereinfachter Leistungsnachweis
  3. Fazit

 

Was ist Berufsunfähigkeit in Folge Pflegebedürftigkeit?

Pflegebedürftigkeit wird am Markt mehrheitlich über eine Punktetabelle, so genannte Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL) definiert. Am Beispiel die Bayerische Komfort, Stand 10/2020, kann das so aussehen:

Die Bedingungen der Bayerischen enthalten Prognose und Dauer und die Voraussetzung ist lediglich eine Einschränkung im Sinne eines Pflegepunktes. Sind diese drei Aspekte erfüllt (Prognose, Dauer, 1 Pflegepunkt), hat man soweit erst einmal die bestmögliche Definition am Markt.

 War der Versicherungsnehmer bereits 6 Monate im Umfang von einem Pflegepunkt pflegebedürftig (Dauer) oder wird es voraussichtlich sein (Prognose), ist er berufsunfähig im Sinne dieser Bedingungen.

Die sozialrechtliche Definition der Pflegebedürftigkeit gem. §§14 ff SGB XI spielt hingegen in der Regel keine Rolle. Einzelne Ausnahmen, beispielsweise die Allianz oder die Swisslife bestätigen die Regel.

Berufsunfähigkeit in Folge Pflegebedürftigkeit als vereinfachter Leistungsnachweis

Liegt Pflegebedürftigkeit gemäß Versicherungsbedingungen vor, liegt in Folge auch Berufsunfähigkeit vor.

Salopp: Ich weise zum Beispiel über Arzt, Pflegedienst oder Medizinischen Dienst der Krankenversicherung das Vorliegen eines dieser Pflegepunkte nach und spare mir somit den umständlichen medizinischen Leistungsnachweis im Sinne der 50 % Leistungsgrenze.

Berufsunfähigkeit in Folge Pflegebedürftigkeit ist somit inhaltlich eine Fiktion, also eine unwiderlegbare Vermutung. Diese kennen wir bereits aus dem Kernleistungsversprechen als Teil der Dauer. Berufsunfähigkeit in Folge Pflegebedürftigkeit ist daher eher eine Leistungsvereinfachung gegenüber dem gewöhnlichen Leistungsnachweis, weniger eine tatsächliche Leistungserweiterung.

Qualitative Unterschiede und Besonderheiten am Markt

Wird mehr als ein Pflegepunkt vorausgesetzt, ist das im Vergleich natürlich als schlechter zu bewerten. So zu sehen am Beispiel HUK Coburg SBU 2017 (links), und LV1871 Golden BU Stand 10/2020 (rechts).

Beide Versicherer setzen 3 Pflegepunkte ihres Pflegekatalogs voraus. Doch warum markiere ich das bei der HUK rot und bei der LV1871 gelb? Die LV1871 bietet eine prämienneutral integrierte lebenslange Pflegerente basierend auf ihrer Pflegebedürftigkeitsdefinition.

Die HUK hat hingegen keine brauchbare Entschuldigung anzubieten.

Gleichwohl hat die LV1871 Stand 10/2020 auch keine Prognose (voraussichtlich für 6 Monate pflegebedürftig), lediglich eine Dauer (bereits war). Eine entsprechende Überarbeitung der LV1871 Klausel auf den gehobenen Marktstandard hatte ich in den letzten Jahren schon mehrfach angeregt, wurde aber ignoriert.

Diverse additionale Regelungen zum Thema Pflegerente kann man übrigens bei den meisten Versicherern gegen Mehrbeitrag einkaufen. Aus meiner Sicht eher überflüssig. Zumindest spielt es für die eigentliche Leistungswahrscheinlichkeit einer Berufsunfähigkeitsversicherung keine Rolle.

Die traditionelle Regelung “Pflegebedürftigkeit unabhängig vom Bewertungsmaßstab” empfinde ich persönlich als wünschenswert. Am Beispiel LV1871 Golden BU, Stand 10/2020:

Auch wenn das den meisten Vermittlern ziemlich egal oder vollständig unbekannt sein dürfte, das hier ist eine durchaus nützliche Klarstellung. Gerade bei schwer objektivierbaren Erkrankungen wie bspw. depressiven Episoden (das, was idR hinter dem neumodischen Burnout steckt) veranstalten die BU-Versicherer regelmäßig einen echten Eiertanz. Bis hin zu überhaupt nicht mehr notwendigen (durch den Versicherer beauftragten und bezahlten) Begutachtungen.

So auch geschehen im Leistungsfall eines geschätzten Kollegen. Sein Kunde war am Ende eines langen Leidenswegs und zum Zeitpunkt des Leistungsantrags in geschlossener psychiatrischer Behandlung. Die Sachbearbeiterin konnte meine Kollege mit meinem Hinweis auf die entsprechende Passage schnell einfangen und die Leistung erheblich beschleunigen.

Mag keine pauschale Notwendigkeit für die Klausel geben, im Einzelfall kann sie nützlich sein. Daher hätte ich persönlich lieber Versicherungsbedingungen mit dieser durchaus alten und traditionellen Klausel, was wiederum nicht Versicherer bieten können.

Die am Markt übliche Demenzklausel (GDS 5 nach Reisberg) halte ich persönlich wiederum für völlig entbehrlich

Fazit zu Berufsunfähigkeit in Folge Pflegebedürftigkeit

Die Klauseln zur Pflegebedürftigkeit begründen für sich allein keine Entscheidung für oder gegen einen Versicherer. Grundsätzlich wäre mir persönlich eine saubere Regelung jedoch durchaus lieber.

Das Thema Pflegebedürftigkeit (iS sehr schwerer gesundheitlicher Beeinträchtigungen) ist aber grundsätzlich auch über die Fiktion / unwiderlegbare Vermutung als Teil der Dauer im eigentlichen Kernleistungsversprechen enthalten. Daher sind auch weniger optimale Pflegebedürftigkeitsklauseln verschmerzbar.

Von |2021-03-11T17:29:58+01:00März 11th, 2021|0 Kommentare

Berufsunfähigkeit infolge Erwerbsminderung

Die Anerkennung einer Berufsunfähigkeit infolge Erwerbsminderung zählt pro forma zu den Leistungserweiterungen. Ist in der Regel aber eher ein Werbegag, Ausnahmen bestätigen die Regel.

 

Inhalt dieses Artikels

  1. Unterschied Erwerbsminderung und Berufsunfähigkeit
  2. Klauseln zu Berufsunfähigkeit infolge Erwerbsminderung
  3. Fazit Erwerbsminderungsklauseln

 

Unterschied Erwerbsminderung und Berufsunfähigkeit

Die Leistungsvoraussetzungen der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente finden sich im §43 des SGB VI. Im Leistungsnachweis geht es nur um das reine Restleistungsvermögen nach Stunden am allgemeinen Arbeitsmarkt.

Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Abs. 1 des §43 SGB VI – teilweise Erwerbsminderung

 

Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Abs. 2 des §43 SGB VI – teilweise Erwerbsminderung

Die gesetzliche Definition der Erwerbsminderung hat nichts mit dem tatsächlich zuletzt ausgeübten Beruf zu tun. Es geht immer nur um das reine Restleistungsvermögen (nur zeitlich) am allgemeinen Arbeitsmarkt, jeder soziale Abstieg ist hinzunehmen.

Im Unterschied dazu geht es in der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung immer um die tatsächlichen Einschränkungen im zuletzt ausgeübten Beruf vor Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Zeit spielt für die Beurteilung des Restleistungsvermögens im Sinne der 50 % Leistungsgrenze keine, respektive maximal eine stark untergeordnete Rolle.

Eine Verweisung auf eine andere Tätigkeit ist in der Berufsunfähigkeitsversicherung immer nur vorbehaltlich gewahrter Lebensstellung möglich. Mehr dazu im Artikel zum Kernleistungsversprechen einer Berufsunfähigkeitsversicherung.

Erwerbsminderungsrente und Berufsunfähigkeitsversicherung könnten unterschiedlicher kaum sein. Entsprechend existiert keinerlei automatische Bindungswirkung.

Salopp: Wenn ich berufsunfähig iS einer Berufsunfähigkeitsversicherung bin, trifft das keine Aussage darüber, ob ich zeitgleich auch erwerbsgemindert bin. Entsprechend sinngemäß auch genau andersrum …

Klauseln zu Berufsunfähigkeit infolge Erwerbsminderung

Eine solche Bindungswirkung wird jedoch in modernen Versicherungsbedingungen durch Klauseln zu Berufsunfähigkeit infolge Erwerbsminderung erzeugt.

Beispielhaft von links nach rechts: Alte Leipziger BV10, Stand 01/2021 und LV1871 Golden BU, Stand 10/2020 und die Bayerische Komfort, Stand 10/2020

An diesen drei Klauseln kann man recht repräsentativ die am Markt üblichen, qualitativen Unterschiede erkennen. Einzige Gemeinsamkeit, alle drei setzen zunächst die “unbefristete Anerkennung einer vollen Erwerbsminderungsrente” voraus.

Während das “wie” für die LV1871 (Mitte) keine Rolle spielt, muss es bei der Alte Leipziger (Links) “allein und ausschließlich ein medizinischer Grund” sein, für die Bayerische allein “in Folge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfall”. Konkret heißt das, für diese beiden Anbieter besteht eben keine uneingeschränkte Bindungswirkung an die Entscheidung des Sozialversicherungsträgers. Der jeweilige Versicherer prüft gem. seiner Spielregeln selbst nach.

Diese Einschränkung hat zwei konkrete Auswirkungen:

  1. Problematik Arbeitsmarktrente
  2. Problematik Leistungsausschlüsse in der Berufsunfähigkeitsversicherung

Die Arbeitsmarktrente ist eine volle Erwerbsminderungsrente. Es kommt zur Leistung, wenn die Erwerbsminderung des gesetzlich Versicherten grundsätzlich nur teilweise eingeschränkt ist, jedoch unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage keine Teilzeitbeschäftigung mehr möglich ist. Die Leistung erfolgt dann aber eben nicht allein aus medizinischen Gründen.

Die Voraussetzung gem. Versicherungsbedingungen Alte Leipziger oder Bayerische wäre entsprechend nicht gegeben.

Kam die Berufsunfähigkeitsversicherung mit Leistungsausschlüssen zu Stande, bspw. einem Leistungsausschluss für die Wirbelsäule, entsteht das nächst Problem. Gibt es keine uneingeschränkte Bindungswirkung, prüft der BU-Versicherer den Leistungsanspruch selbst. Er prüft also bspw. auch, ob die Berufsunfähigkeit auf Basis oder unter Mitwirkung der ausgeschlossenen Wirbelsäule entstanden ist. Sofern der Versicherer diesen Nachweis führen kann, ist er leistungsfrei. Dies ist auch dem orange markierten letzten Satz der Alte Leipziger (reine Klarstellung) zu entnehmen.

Bei der LV1871 spielt es hingegen keine Rolle.

Der erweiterte Leistungsauslöser Berufsunfähigkeit in Folge Erwerbsminderungsrente käme auch dann zur Anwendung, wenn die volle Erwerbsminderung teilweise oder maßgeblich auf einem eigentlichen Leistungsausschluss basiert.

Darüber hinaus gibt es am Markt weitere Unterschiede. Bspw. ob die Story ab 50 oder 55 gilt oder wie lange der Vertrag bereits bestanden hat. Diese Unterschiede sind meiner persönlichen Meinung nach eher nachrangig.

Fazit Erwerbsminderungsklauseln

Eine Berufsunfähigkeitsversicherung sollte, zumindest in jungen Jahren, grundsätzlich schneller / eher leisten, als ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente besteht. Schlicht weil der Leistungsnachweis in der privaten BU einfacher und erheblich konkreter ist.

Von daher sind Klauseln zur Berufsunfähigkeit infolge Erwerbsminderung grundsätzlich eher Werbegags ohne große Entscheidungsrelevanz.

Wenn allerdings Versicherungsschutz grundsätzlich nur mit relevantem Leistungsausschluss möglich ist, kann – wie hier erläutert – durchaus auch ein gewisser Nutzen von diesen Klauseln ausgehen.

Von |2021-03-12T11:17:05+01:00Januar 29th, 2021|0 Kommentare

Infektionsklausel in der Berufsunfähigkeitsversicherung

Die Infektionsklausel ist einer der erweiterten Leistungsauslöser einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Sie ist vor allem ein vertrieblich motivierter Werbegag. Das eigentliche Leistungsversprechen dahinter ist über mittelbare Berufsunfähigkeit im Regelfall im Kernleistungsversprechen einer Berufsunfähigkeitsversicherung bereits enthalten.

Vertriebe präsentieren die Infektionsklausel gern als vermeintliches Highlight. Ist das so? Schauen wir uns das Thema Infektionsklausel in der Berufsunfähigkeitsversicherung nachfolgend einmal genauer an.

Inhalt dieses Artikels

  1. Was ist eigentlich eine Infektionsklausel?
  2. Mittelbare Berufsunfähigkeit vs. Infektionsklausel
  3. Corona / COVID-19 Lockdown und die Infektionsklausel in der Berufsunfähigkeitsversicherung

 

Was ist eigentlich eine Infektionsklausel?

In der Infektionsklausel geht es um das Thema (eingeschränktes) Berufsverbot. Ein solches (eingeschränktes) Berufsverbot kann beispielsweise in Folge des  §31 Infektionsschutzgesetz (IfSG) ausgesprochen werden:

§ 31 Berufliches Tätigkeitsverbot
Die zuständige Behörde kann Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern die Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten ganz oder teilweise untersagen. Satz 1 gilt auch für sonstige Personen, die Krankheitserreger so in oder an sich tragen, dass im Einzelfall die Gefahr einer Weiterverbreitung besteht.

Infektionsklausel  am Beispiel LV1871 Golden BU, Stand 05 / 2020:

Gemäß dieser Infektionsklausel liegt Berufsunfähigkeit vor, wenn …

  1. ein behördliches Tätigkeitverbot nach Infektionsschutzgesetz (IfSG) ausgeprochen wurde,
  2. sich dieses Tätigkeitsverbot auf mind. 50 % der Tätigkeiten im zuletzt ausgeübten Beruf bezieht und
  3. das Tätigkeitsverbot mind. sechs Monate andauert.

Das ist soweit die bestmögliche Regelung des Grundproblems am Markt.

Die marktübliche Ausprägung ist aber noch immer das “vollständige Tätigkeitsverbot”, siehe Beispiel Bayerische SBU Komfort, Stand 10/2020:

Ein vollständiges Tätigkeitsverbot kommt in der Praxis so gut wie gar nicht vor. Liegt einfach daran, dass §56 IfSG die Entschädigung in Folge eines Berufsverbots regelt, ein vollständiges Tätigkeitsverbot also für die aussprechende Behörde teuer würde.

Obwohl die Bayerische an dieser Stelle offensichtlich schlechter regelt als die LV1871, ist das im Grunde scheiß egal. Das eigentliche Leistungsversprechen ist grundsätzlich über den Nachweis mittelbarer Berufsunfähigkeit gegeben, völlig losgelöst von einer solchen Infektionsklausel.

Mittelbare Berufsunfähigkeit vs. Infektionsklausel

Berufsunfähigkeit wird üblicherweise (siehe bspw. §172 VGG Abs. 2) als “infolge Krankheit, Körperverletzung oder (mehr als altersentsprechendem) Kräfteverfall” definiert. Das meint zunächst insbesondere die unmittelbare Berufsunfähigkeit. Heißt, der Betroffene Versicherungsnehmer ist in Folge Krankheit / Körperverletzung / Kräfteverfall derart gesundheitlich beeinträchtigt, dass er zu (mehr als) 50 % im zuletzt ausgeübten Beruf eingeschränkt ist.

Zeitgleich betrifft es aber auch die mittelbare Berufsunfähigkeit.

Mittelbar berufsunfähig bin ich dann, wenn ich in Folge einer bspw. Krankheit zu mehr als 50 % im zuletzt ausgeübten Beruf eingeschränkt bin, ohne jedoch entsprechende Beschwerden im Sinne einer unmittelbaren Berufsunfähigkeit zu haben.

Das Paradebeispiel ist hier der Unterschied HIV <> AIDS. HIV ist grundsätzlich erstmal nur die Infektion (humanes Immundefizienz-Virus), ggf. vollständig ohne Beschwerden / Symptome. AIDS (Acquired Immune Deficiency Syndrome) ist wiederum die ausgebrochene Krankheit, respektive der Ausbruch von Krankheiten im Zuge der Immunschwäche, bspw. einer Lungenentzündung.

Salopp, mit HIV kann man heute (unter Medikation) durchaus gut leben und arbeiten. HIV ist auch keine meldepflichtige Krankheit im Sinne des §6 IfSG, sondern nur der Nachweis ist “nicht namentlich” gem. §7 Abs. 3 IfSG zu melden.

In bspw. den 80ern wäre ob Unwissen über und Angst vor HIV sehr wohl aber ein (ganz oder teilweises) Berufsverbot für bspw. Ärzte denkbar gewesen. Ein solches Berufsverbot wäre dann eine mittelbare Berufsunfähigkeit. Das Berufsverbot (als Rechtsfolge eines zum Abschlusszeitpunkt bereits bestehenden Gesetztes (IfSG)) wäre dann die Folge aus einer Krankheit (ohne umgangssprachlich krank zu sein). Eine wie auch immer ausgeprägte Infektionsklausel benötigt in diesem Fall niemand.

Berufsverbote es früher beispielsweise für Piloten (spezieller Sonderfall Flugdienstauglichkeit), indirekt bei Soldaten und zum Teil wohl auch heute noch in Bezug auf die Polizeidiensttauglichkeit.

Corona / COVID-19 Lockdown und die Infektionsklausel in der Berufsunfähigkeitsversicherung

Im Zuge der Lockdowns 2020 und 2021 sind /waren insbesondere bspw. Gastronomie, Eventbranche, sowie Kunst und Musik quasi im “Berufsverbot”.

Corona ist im Infektionsschutzgesetz im §6 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe t) gelistet. Im Falle eines Tätigkeitsverbotes (bspw. Veranstaltungsbranche / Gastronomie etc.) ist also theoretisch eine BU-Leistung möglich. Praktisch wird es nicht dazu kommen.

Grundsätzlich bedingt eine Leistung über Infektionsklausel oder mittelbare Berufsunfähigkeit …

  1. eine vom Versicherungsnehmer ausgehende Infektionsgefahr
  2. ein Tätigkeitsverbot für 6 Monate

Während die 6 Monate für einige Betroffene Stand März 2021 erfüllbar scheinen, scheitert es beim Lockdown jedoch an der vom Versicherungsnehmer ausgehenden Infektionsgefahr. Die Voraussetzung einer vom Versicherungsnehmer ausgehenden Infektionsgefahr ergibt sich idR entweder direkt aus dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen, oder indirekt durch den Verweis auf das Infektionsschutzgesetzt und somit den § 31 IfSG – “Berufliches Tätigkeitsverbot”. Respektive eben durch den Grundsatz der Leistungsfallprüfung, dass der Versicherungsnehmer in Folge einer (eigenen) Krankheit (selbst) berufsunfähig sein muss.

Wird einem Clubbesitzer im Zuge der Corona Maßnahmen die Hütte zugemacht, geht die Infektionsgefahr nicht vom Clubbesitzer selbst aus.

Nun kann man im Einzelfall aber natürlich prüfen, wie die Story in den Versicherungsbedingungen tatsächlich definiert ist. Ein Beispiel für einen Fauxpas dieser Art liefert bspw. die LV1871 Golden BU, Stand 10/2020:

Anders als in der weiter oben eingefügten Tarifgeneration 5/2020 wird hier (versehentlich) nicht mehr auf die vom Versicherungsnehmer ausgehende Infektionsgefahr abgestellt. Die älteren Bedingungen hatten nur das Tätigkeitsverbot nach Infektionsschutzgesetz, die neueren Bedingungen mit eigenem Spiegelstrich das Tätigkeitsverbot aufgrund gesetzlicher Vorschriften wegen “EINER Infektionsgefahr“.

AGB-Auslegung schlägt immer die Rechtsgrundsätze der Leistungsfallprüfung. AGB-Auslegung erfolgt aus Sicht des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers. Hier könnte ein Gericht nun tatsächlich zur Schlussfolgerung kommen, dass dem Clubbesitzer mit 6 Monaten geschlossenem Club eine Leistung aus der Berufsunfähigkeitsversicherung zustehen würde.

Fazit zur Infektionsklausel

Dieses Beispiel mag pure Theorie sein, zeigt aber noch einmal deutlich, was von Infektionsklauseln zu halten ist. Grundsätzlich sind Infektionsklauseln überflüssige Werbegags, der Leistungsnachweis ergibt sich automatisch auch ohne Infektionsklausel über mittelbare Berufsunfähigkeit. Das im Vertrieb häufig angepriesene Highlight oder “must have” für Ärzte ist eine Infektionsklausel definitiv nicht.

Eine brauchbare Infektionsklausel schadet zwar nicht, ist aber niemals ein für sich stehendes, hartes Auswahlkriterium.

Von |2021-03-11T13:40:56+01:00Januar 29th, 2021|0 Kommentare

Versicherungsschutz im Ausland in der Berufsunfähigkeitsversicherung

Durchaus eine häufige Frage in der tagtäglichen Beratungspraxis: Was passiert eigentlich mit meiner Berufsunfähigkeitsversicherung, wenn ich beruflich oder privat in Ausland gehe?

In zeitgemäßen Tarifen ist das Thema problemlos gelöst, der Versicherungsschutz einer Berufsunfähigkeitsversicherung gilt weltweit. Daher spreche ich das im AVB Termin zumindest nicht von mir aus an.

Delten werden ich aber auch mit sehr speziellen Konstellationen, durchaus häufiger mit Altverträgen und hin und wieder mit den Wechselwirkungen dieses Themas in der Beratung konfrontiert. Da kann das schon wieder anders aussehen und den ein oder anderen genaueren Blick erfordern. Dieser Artikel fasst die wichtigsten Aspekte und Wechselwirkungen des Themas zusammen.

(mehr …)

Von |2021-01-29T22:37:39+01:00Januar 29th, 2021|0 Kommentare