Berufsunfähigkeitsversicherung ja oder nein? Brauche ich eine Berufsunfähigkeitsversicherung? Ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung sinnvoll?
Inhaltsverzeichnis Berufsunfähigkeitsversicherung sinnvoll?
Für wen ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung sinnvoll?
Glaubt man der Werbung der Versicherer und den gebetsmühlenartigen Wiederholungen der Verbraucherschützer, dann ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung für jeden Erwerbstätigen sinnvoll.
Eine Pauschalaussage, mit der sich viele junge Menschen schwertun. Das Leistungsversprechen einer Berufsunfähigkeitsversicherung ist kompliziert, die Prämien sind nicht unerheblich.
Alles, was mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu tun hat, ist in jungen und gesunden Jahren schwer vorstellbar.
Ich selbst sehe die grundsätzliche Fragestellung auch deutlich differenzierter, als es in der klassisch werblichen Darstellung üblich ist. Grund dafür ist in erster Linie die Funktionsweise einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Sowohl hinsichtlich des eigentlichen Leistungsnachweises als auch hinsichtlich der Nachhaltigkeit und somit der Qualität des Versicherungsschutzes.
Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist eine Statusabsicherung
Gemeint ist dabei nicht “mein Haus, mein Auto, mein Boot”. Unter dem Status versteht man im Kontext das, was man beruflich erreicht hat (oder vermutlich erreichen wird). Also die Qualität der Ausbildung und die tatsächliche Ausprägung der ausgeübten Tätigkeit, beispielsweise hinsichtlich Einkommen oder Projekt-, Führungs-und Mitarbeiterverantwortung.
Je höher der berufliche Status, desto nachhaltiger der Versicherungsschutz. Das hat unter anderem mit dem Thema konkrete Verweisung und Lebensstellung zu tun, was aber im eigenen Artikel ausführlich nachgelesen werden kann und ich deshalb an dieser Stelle nicht weiter ausführen werde.
Wann der Leistungsnachweis der Berufsunfähigkeitsversicherung einfach ist
Der Leistungsnachweis einer Berufsunfähigkeitsversicherung gestaltet sich einfacher, wenn wahlweise …
- klar spezifizierbare, anspruchsvolle körperliche Tätigkeiten oder
- klar spezifizierbare, anspruchsvolle kognitive Tätigkeiten
ausgeübt werden.
Bei einem Schreiner wird es immer klare Anforderungen an die Hebe- und Tragfähigkeit geben. Beim Arzt, Informatiker oder Ingenieur werden hohe Ansprüche an die kognitive Leistungsfähigkeit und Konzentrationsfähigkeit gestellt.
Klare Kernfähigkeiten und Kerntätigkeiten ergeben klare prägende Tätigkeiten und vereinfachen den qualitativen Leistungsnachweis in der Berufsunfähigkeitsversicherung.
Komplexe / diffizile Tätigkeitsbilder oder vergleichsweise anspruchslose Routinetätigkeiten verkomplizieren hingegen den Leistungsnachweis erheblich.
Stark überspitzt und ohne den Bürokauffrauen und -kaufmännern dieser Welt nun Unrecht tun zu wollen: Kaffeekochen und Kopieren sind keine anspruchsvollen körperlichen oder kognitiven Tätigkeiten und auch nie prägend für die Berufsausübung.
Schlussfolgerung – Für wen ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung sinnvoll?
In der Berufsunfähigkeitsversicherung zählt immer der zuletzt ausgeübte Beruf, so wie dieser ohne gesundheitliche Beeinträchtigung (also vor dem Leistungsfall) ausgestaltet war. Das bestimmt die Komplexität des Leistungsnachweises und die Nachhaltigkeit des Versicherungsschutzes.
Daraus ergibt sich:
Eine Berufsunfähigkeitsversicherung ist immer dann sinnvoll, wenn ein gewisses beruflicher Status erreicht wurde oder voraussichtlich erreicht wird.
Dies deckt sich zufällig (wenn auch aus anderen Gründen) mit der ungefähren Umschreibung meiner Zielgruppe:
Akademischer Abschluss oder technische Ausbildung / technischer Beruf und Jahreseinkommen heute oder eben perspektivisch über 60.000 Euro brutto. Ausnahmen mögen die Regel bestätigen, aber außerhalb dieser Zielgruppenumschreibung nehme ich äußerst selten Mandate an.
Aus den vorhergehenden Ausführungen ergibt sich aber auch, dass eine Berufsunfähigkeitsversicherung stark an Attraktivität verliert, wenn kein nennenswerter beruflicher Status vorliegt. Anders formuliert, eine Hilfskraft in der Logistik ist mit einer BU eher falsch beraten.
Bei diffizileren Tätigkeitsbildern (bspw. bestimmte Selbstständigkeiten) muss die Absicherungsüberlegung deutlich über die reine Berufsunfähigkeitsversicherung hinaus gehen. Bei Tätigkeiten mit wenigen anspruchsvollen prägenden Tätigkeiten (Beispiel Bürokauffrau / – mann) kann eine BU zwar trotzdem sinnvoll sein, sollte aber beispielsweise um eine AU-Klausel erweitert werden.
Man könnte es auch platter formulieren. Die Berufsunfähigkeitsversicherung versichert den Beruf (oder die Fähigkeit diesen auszuüben). Ist der Beruf es “nicht wert” versichert zu werden, ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung eher nicht sinnvoll.
Vermeintliche Gründe gegen eine Berufsunfähigkeitsversicherung
Die Funktionsweise einer Berufsunfähigkeitsversicherung ist vergleichsweise komplex. Die Kosten einer Berufsunfähigkeitsversicherung sind, über die gesamte Laufzeit gesehen, nicht unerheblich. Die Notwendigkeit dieser Absicherung erschließt sich in jungen und gesunden Tagen nicht jedem.
Nachvollziehbar, dass es eine Vielzahl unterschiedlichster Vorbehalte gegen die Berufsunfähigkeitsversicherung gibt. Manche davon sind mehr, manche weniger berechtigt.
Häufig führen aber auch einfache Denkfehler zu einer generell ablehnenden Haltung gegenüber dem Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Ein paar dieser Denkfehler schauen wir uns nachfolgen einmal genauer an.
Survivorship bias und Berufsunfähigkeitsversicherung
Gerade in jungen Berufsjahren orientiert und misst man sich selbst gern im Kollegenkreis. Die Meinung berufserfahrener Kollegen wird auch noch eher wertgeschätzt. Es ist nachvollziehbar, dass dann auch Themen wie die Berufsunfähigkeitsversicherung kurz auf Stammtischniveau zur Sprache kommen.
Dies ist der sicherste Weg in die Falle der Survivorship bias (lesenswerter Artikel in Wikipedia).
Stark vereinfacht: Trifft man intuitiv Entscheidungen, indem man nur die “Überlebenden” betrachtet, kommt man zwangsweise zur falschen Schlussfolgerung.
Anders formuliert: Jene, die bereits aus gesundheitlichen Gründen ihre berufliche Tätigkeit nicht mehr ausüben konnten, trifft man nicht unter den Kollegen. Die sind ja schlicht nicht mehr da. Sie hätten aber vermutlich eine ganz andere Sichtweise auf Arbeitskraftabsicherung, als das beim kerngesunden und erfolgreichen Abteilungsleiter 50+ der Fall ist.
Tatsächlich erklärte mir ein Interessent vor wenigen Jahren, dass ja alle seine Kollegen nur 1.500 € BU-Rente abgesichert hätten und damit auch alle zufrieden wären. Glaube ich sofort. Die, die nicht mehr damit zufrieden waren konnten ja schlecht befragt werden. Die hatten schließlich einen BU-Leistungsfall und sind daher heute keine Kollegen mehr.
Im Blog über meine eigene Dienstunfähigkeit (2008) kann man nachlesen, dass ich einst selbst der Survivorship bias gründlich auf den Leim gegangen bin.
Noch gefährlicher ist das übliche, unreflektierte “brauchst du nicht” aus dem Bekannten- und Freundeskreis. Diese Aussagen sind natürlich regelmäßig platt und substanzlos. Aber die ideale Ausrede, um sich nicht mit einem unbequemen Thema auseinandersetzen zu müssen.
Hier empfehle ich einen einfachen Test, um zu überprüfen, wie sehr der jeweilige Tippgeber wirklich hinter seiner Aussage steht:
Okay, dann schließe ich keine Berufsunfähigkeitsversicherung ab. Ich gebe dir stattdessen 80 Euro im Monat und wenn ich berufsunfähig werde, zahlst du mir jeden Monat 2.500 Euro, solange ich berufsunfähig bin. Wollen wir den Vertrag gleich aufsetzen?
Willigt der Tippgeber ein, sollte man sofort den Vertrag aufsetzen. Wenn man daran glaubt, dass er das Leistungsversprechen auch über Jahrzehnte finanziell erfüllen kann. Ich glaube an beides nicht.
Selbst wenn ich im Rollstuhl sitze, bin ich nicht berufsunfähig
Ein klassischer BWLer Mythos. “Selbst wenn ich im Rollstuhl sitze, kann ich noch arbeiten und die BU leistet nicht. Also brauche ich auch keine Berufsunfähigkeitsversicherung.”
Dieser Mythos zeigt zwei sehr ernste Grundprobleme im Kontext Berufsunfähigkeitsversicherung auf.
- Das Leistungsversprechen einer Berufsunfähigkeitsversicherung wird meist nicht verstanden
- Die Komplexität des eigenen Berufs wird regelmäßig unterschätzt
Tatsächlich ist die Story mit Rollstuhl sinngemäß “Schrödingers Berufsunfähigkeit”. Solange ich nicht nachgeschaut habe, weiß ich nicht, ob ich berufsunfähig bin oder nicht.
Allein durch die Feststellung “im Rollstuhl” habe ich nämlich keinerlei Aussage darüber getroffen, welche Art und Summe gesundheitlicher Beeinträchtigungen vorliegt und wie diese auf den tatsächlich zuletzt ausgeübten Beruf in Relation zur 50 % Leistungsgrenze wirken.
Was ist beispielsweise mit weiteren Bewegungseinschränkungen, Schmerzleiden, Konzentrationsstörungen?
Nicht zu vergessen, ich wurde ja gar nicht im Rollstuhl geboren. Ich bin dort wohl eher durch einen abrupten externen Auslöser gelandet. Womit sich die Frage aufdrängt, wie ich denn so mit dieser neuen Lebenssituation zurechtkomme?
Die Nummer mit dem Rollstuhl wird recht häufig am Ende als “Leistungsfall Psyche” in die Statistik eingehen.
Erschwerend kommt hinzu, dass wir die Komplexität unserer eigenen beruflichen Tätigkeit regelmäßig stark unterschätzen. Schlicht weil wir es gewohnt sind, wir machen es jeden Tag im gesunden Zustand. Wir sind auch nicht darauf programmiert uns vorzustellen, in welcher körperlichen Verfassung wir beispielsweise mit Ende 50 sein werden und wie gesundheitliche Beeinträchtigungen sich dann tatsächlich auswirken könnten.
Tatsächlich gibt es da interessante Experimente in der Forschung zur gesundheitlichen Prävention. Beispielsweise wird durch Tragen spezieller Alterssimulationsanzüge simuliert, wie sich unterschiedliche Alter oder Erkrankungen auf die Beweglichkeit, Kraft, Wahrnehmung und Stimmung auswirken können.
Interessante Story. Bei der Entscheidungsfindung für oder gegen eine Berufsunfähigkeitsversicherung ist es aber kaum praktikabel, jeden einmal verpflichtend in einen solchen Anzug zu stecken. Einen einminütigen Videoclip mit Dunja Hayali kann man sich auf YouTube anschauen.
Was habe ich bisher verdient und was davon noch da?
Ein häufiger Grund für eine Entscheidung gegen eine Berufsunfähigkeitsversicherung sind finanzielle Aspekte. Einerseits die Kosten einer Berufsunfähigkeitsversicherung, andererseits – und das ist problematischer – die Fehleinschätzung der eigenen wirtschaftliche Leistungs- und Sparfähigkeit.
Junge Menschen werden heute recht häufig medial mit der Idee des schnellen und einfachen Reichtums in Berührung kommen. Sei es der Mythos vom Reichtum durch ETF-Sparpläne, Bitcoinphantasien, Immobiliencoaches – oder weit unterhaltsamer, Onlyfans und Socialmedia.
Wenn jemand auf diese oder ähnlicher Basis argumentiert, ist das aus meiner Sicht ein lost case. Es lohnt nicht Lebenszeit auf eine Gegenargumentation zu verschwenden. Irgendwann kommen auch diese Jungs und Mädels einmal in der Realität, im realen Berufsleben an. Gründen eine Familie, zahlen Hypotheken und so weiter und sofort …
Wenn Sie dann noch gesund sind und das Leben das Mindset begradigt hat, können es ja DANN meine Interessenten werden.
Manchmal hilft es, eine andere Perspektive einzunehmen. Man stelle sich einfach einmal selbst die Frage, was man bisher im Berufsleben verdient hat und wie viel davon tatsächlich noch da ist. Im Regelfall wird es eine deutliche Diskrepanz geben. Fällt das Arbeitseinkommen weg, wird es schwierig mit den ETF-Sparplänen zum 40jährigen Weltenbummler und Privatier zu werden.
Aber gut. Meiner rein persönlichen Erfahrung nach sind sachliche Diskussionen im Kontext unmöglich und somit verschwendete Zeit.
Berufsunfähigkeitsversicherung ja oder nein?
Fassen wir einmal zusammen. Sie haben …
- eine anspruchsvolle (akademische) Ausbildung abgeschlossen (oder sind dabei)
- und / oder verdienen bereits über 60.000 Euro brutto p.a. oder werden dies erreichen
- sind sich des erreichten oder zu erreichenden beruflichen Status bewusst
… dann ist eine BU sinnvoll. Sie sollten eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen. Ich helfe Ihnen gern auf dem Weg zu einer individuell passenden und dauerhaft bedarfsgerechten Lösung.
Sie …
- verdienen heute und auch perspektivisch weniger als 40.000 Euro brutto p.a.
- haben keine relevante Ausbildung / Qualifikation
- oder planen schon mit den Onlyfans Millionen
… sie brauchen eher keine BU, die Berufsunfähigkeitsversicherung ist für Sie eher nicht sinnvoll.
Unbefriedigende Tatsache: Die meisten Menschen liegen irgendwo zwischen diesen beiden Extrembeispielen. Tatsächlich biete ich meine Dienstleistung aber nur der grob umrissenen, ersten Gruppe an.
Ich sehe meine Aufgabe auch nicht darin, irgendjemanden vertrieblich von der Notwendigkeit einer BU zu überzeugen.
Ich halte es für sinnvoller mich darauf zu konzentrieren, jenen mit konkretem Interesse an einer Berufsunfähigkeitsversicherung eine eben solche mit medizinisch vorteilhafter und rechtssicherer Annahme, sowie dauerhafter Flexibilität und Anpassbarkeit zu verschaffen.
Hinterlasse einen Kommentar