Kurz vor Weihnachten gab die WWK bekannt, dass die Zahlbeiträge für die Berufsunfähigkeitsversicherung zum 01.01.2018 teilweise massiv erhöht werden. Im Klartext heißt das, Versicherungsnehmer der WWK haben zukünftig bis zu 40 % höhere Prämien für ihre Berufsunfähigkeitsversicherung zu zahlen.

WWK Beitragserhöhung Berufsunfähigkeit

Für sich ist das nicht überraschend. Bereits 2016 hatte die WWK die Zahlbeiträge für viele Berufsgruppen erhöht. Die nächste Erhöhung gem. Gerüchteküche wurde bereits für den Jahresanfang 2017 erwartet.

Es wäre mir eigentlich auch keinen Blogbeitrag wert. Meine Kollegen Tobias Bierl und Guido Lehberg hatten beispielsweise schon ausführlich berichtet.

Ich selbst habe keine WWK Verträge im Bestand. Die Vermittlung einer WWK BU basierte doch in der Vergangenheit schlicht auf einem Pseudorating in Ertragskraft und drei Fröschen (FFF) für die AVB bei Franke und Bornberg. Derartiges Glaskugellesen ist nicht meine Arbeitsweise und in keinem Fall eine Begründung für den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung.

Auch ist mein Interesse nun “überraschte” WWK Kunden zu beraten überschaubar. Schließlich muss deren erstes Motiv beim Abschluss schlicht der Preis gewesen sein. Die mäßigen Versicherungsbedingungen wurden wohl kaum gelesen, geschweige denn verstanden. Preisfokussierung ist nur eine Illusion und schlicht der bescheidenste Ratgeber bei der Auswahl einer bedarfsgerechten Berufsunfähigkeitsversicherung. Und wie wusste meine Oma schon: “Wer billig kauft, zahlt zweimal …”

Kurzum, mein Interesse einen Blogbeitrag zum Thema zu schreiben, lag ziemlich exakt bei 0. Warum also nun doch einen Blogbeitrag?

WWK Umdeckungsaktionen – Die hässliche Fratze der Branche

Es vergeht selten ein Tag, an welchem mich meine eigene Branche nicht schlicht tierisch ankotzt. Wer der irrigen Meinung ist, Vermittler würden mehrheitlich zumindest die Grundrechenarten beherrschen oder der Sachkundenachweis hätte irgendeinen praktischen Nutzen, muss sich nur mal 30 Minuten in den Facebook-Vermittlergruppen mit teilweise hunderten Mitgliedern aufhalten.

Meine Frustrationstoleranz ist diesbezüglich eigentlich durchaus hoch. Die Reaktionen in der Branche auf die WWK Beitragserhöhung und die sich daraus entfaltende Dynamik überraschten allerdings selbst mich. Es dauerte nicht lang, schon kamen diverse Gesellschaften mit “Umdeckungsaktionen” an den Markt. Continentale, LV1871, Nürnberger, Swisslife und der Volkswohlbund brachten bisher solche Wechselangebote an den Start.

Heißt: Vermittler, die per WWK Vermittlung im größeren Umfang aus meiner Sicht zuvor Bockmist gebaut haben, können ihre preissensiblen Kunden, die nun ob der Prämienerhöhung unzufrieden sind, vermeintlich vereinfacht “Umdecken”. Umdecken ist hier auch nur ein harmlos klingender Begriff für einen neu ausgelösten Provisionsanspruch.

Es liegt mir fern Vermittlerkollegen pauschal unter Generalverdacht zu stellen. Im Einzefall mag es gute Gründe gegeben haben, bspw. habe ich zuletzt Gespräche mit Kollegen geführt, die schlichtweg WWK Verträge in der Betreuung, aber nicht initial vermittelt haben.

Ein fader Beigeschmack bleibt.

Stuttgarter und LV1871 schießen den Vogel ab

Den ersten Lacher meinerseits produzierte die Stuttgarter. Übrigens ein Versicherer, zu dem ich bis heute ebenfalls nicht eine einzige Berufsunfähigkeitsversicherung vermittelt habe. Der Grund ist einfach. Es liegt nicht an den AVB oder Prämien: Man bekommt nur üblicherweise Niemanden bei der Stuttgarter sauber versichert, der mehr als einen Schnupfen hatte.

Die Stuttgarter ist meiner rein persönlichen Erfahrung nach einer der BU-Versicherer, die mit sinnfreier und übermäßig harter Risikoprüfung auffallen (Annahmepolitik). Das nun ausgerechnet eine solche Gesellschaft eine Aktion zur Umdeckung von WWK Verträgen auflegt, Treppenwitz.

Schaut man sich aber die Details der Aktion mal genauer an, wird man wohl lachen müssen:

Die Stuttgarter bietet an, WWK Verträge, welche nicht vor 2014 abgeschlossen wurden, mit vereinfachter Gesundheitsprüfung zu übernehmen. Es wird allerdings auch nicht hinsichtlich der Aktualität gedeckelt. Die vereinfachte Gesundheitsprüfung gilt gem. Annahmerichtlinien ohne wenn und aber für BU Renten bis 24.000 Euro p.a..

Das Ganze läuft mit zwei (von sieben) wesentlichen Gesundheitsfragen.

a) Ob seit Antragsstellung eine Arbeitsunfähigkeit wegen einer psychischen Erkrankung, einer Erkrankung des Nervensystems oder Bewegungsapparats für länger als 2 Wochen entstand.

b) Ob seit Antragsstellung eine Behandlung für mehr als 4 Wochen regelmäßig erfolgte, oder eine Behandlung angeraten oder verordnet ist.

Die Aktion läuft bis 31.07.2018. Wortwörtlich bietet sich folgender workaround an:

Man stelle jetzt einen WWK Antrag. Beantworte alle Fragen mit nein. Diesen zieht man dann binnen bspw. der 2 oder 4 Wochen (oder im Aktionszeitraum) zur Stuttgarter um. Somit hat man vermutlich weder 2 Wochen Krankschreibung noch 4 Wochen Behandlung SEIT ANTRAGSSTELLUNG.

Damit dürfte sich eine Vielzahl von erheblichen Risiken medizinisch völlig glatt und rechtlich sauber versichern lassen, welche am Markt niemals glatt versicherbar wären. Man sollte natürlich bei zu erwartendem Eintritt einer Berufsunfähigkeit an die Problematik Arglist und spontane Anzeigepflicht denken.

Solche Dinge dürften aber auch hier die Antragsfragen reißen.

Den größten Schock verpasste mir wiederum die LV1871. Diese Gesellschaft habe ich bis dato gern und ohne Bedenken vermittelt.

Die Versicherungsbedingungen der Golden BU 01.2018 gehören zur absoluten Marktspitze. Mit bspw. der Verlängerunsoption bei Anpassung der GRV Regelaltersgrenze hatte man 2018, mit den Regelungen für Schüler-BUVs schon 2017 Referenzregelungen am Markt geschaffen.

Über viele Jahre hatte man sich den Ruf einer kleinen aber feinen Spezialadresse für Berufsunfähigkeitsversicherungen erarbeitet. Das lag nicht zuletzt an der extrem guten Risikoprüfung. Eine gute Risikoprüfung wird gern mit leichter Annahme verwechselt, meint aber schlicht nur individuelle Beurteilung risikorelevanter Umstände.

Heißt: LV1871 nahm sich die Zeit, risikorelevante Umstände auch meiner Kunden mit manueller Risikoprüfung via Risikovoranfragen detailliert zu betrachten. Etwas, das in Zeiten von “Computer sagt nö” eine absolute Seltenheit am Markt war.

Vor dem Hintergrund war ich doch sehr überrascht, als die ersten Details zur Umdeckungsaktion via LV1871 bekannt gegeben wurden. LV1871 bietet zwei Aktionen an. Eine Aktion für Einzelverträge, die meiner Meinung nach inhaltlich aus Gesellschaftssicht unproblematisch ist.

Sowie eine Aktion für “ab 15 zu wechselnde Verträge”, diese aber ohne Gesundheitsprüfung. Bei letzterer Aktion macht sich die LV1871 die ursprünglichen Antragsfragen der WWK inklusive deren Verjährungsfrist zu eigen. Das wiederum halte ich für schwerlich nachvollziehbar, hätte ich nicht erwartet und muss ich erst einmal verdauen.

Bis zu einer jährlichen BU Rente von 30.000 Euro fallen keine Gesundheitsfragen an, wenn die Voraussetzung der Aktion erfüllt werden Die VVA-Frist von üblicherweise bis zu 10 Jahren wird vom Ursprungsvertrag übernommen.

Zwar wurde auf Akademiker, kaufmännische Berufe, Techniker und ein Höchsteintrittsalter von 45 Jahren begrenzt (sowie weitere, einfache Selektionskriterien), aber die für eine saubere Versicherungsgemeinschaft unerlässliche Risikoprüfung findet eben nicht statt. Es müssen zunächst nur schlichtweg mindestens 15 Verträge sein, die übertragen werden sollen.

Heißt im Klartext: Wurde vor bspw. 6 Jahren ein WWK Vertrag mit “alles nein” abgeschlossen oder hat sich der Gesundheitszustand der Versicherungsnehmer seit Antragsstellung massiv verschlechtert, hat die LV1871 in 4 Jahren praktisch keine echte Chance mehr, um gegen Verletzungen der vorvertraglichen Anzeigepflicht vorzugehen.

Das stört mich aus zwei wesentlichen Gründen.

WWK Klientel halte ich persönlich für primär preisgesteuertes Klientel, was zu einer gewissen Stornoanfälligkeit führen kann und nicht unbedingt für saubere Vermittlerarbeit spricht. Weder ein Anstieg von Stornoquoten (wird ja neu verprovisioniert), noch ein potenziell stärker gefährdeterer Kundenstamm sind für die Entwicklung von Kosten- und Risikogewinnen sonderlich förderlich. Diese sind jedoch neben den Zinserträgen für die Nachhaltigkeit der heutigen BU-Zahlbeiträge in hohem Maße relevant.

Der andere Grund: 15+ wechselwillige WWK Verträge mit Erfüllung der Selektionskriterien haben doch nur Vermittler im Bestand, die wiederholt Bockmist gebaut haben UND Vertriebe. Insbesondere Letztere fallen regelmäßig auch nicht grad durch saubere oder kompetente Arbeitsweise auf.

Ich persönlich wünschte, die LV1871 hätte sich diese Aktion schlicht verkniffen. Bisher war die Gesellschaft eher nicht hinsichtlich aggressiver Praktiken zum Einwerben von Neugeschäft. Selbst auf dem Abenteuerspielplatz Berufsunfähigkeitsversicherung via bAV-Rahmenverträge hatte man im Gegensatz zu anderen Marktteilnehmern bisher doch deutlich sauberer agiert.

Man wird nicht umhin kommen, die Entwicklung weiter zu verfolgen und die durchaus hohe Differenz zwischen Zahlbeitrag und Tarifbeitrag zukünftig reflektierter zu betrachten. Es wäre äußerst schade, müsste man diesem bisher sehr guten Produktgeber in wenigen Jahren ein fettes Warnschild “unvermittelbar” umhängen.

Fazit zu den Umdeckungsaktionen

Hier greifen schlicht verschiedene Interessen unterschiedlicher Branchenteilnehmer perfekt ineinander. Die betroffenen Gesellschaften wollen Geschäft (um jeden Preis?). Kunden, die ihre wohl wichtigste Absicherung vermutlich nur anhand des Preises ausgewählt haben, wollen es endlich wieder billiger gemacht bekommen.

Vermittler wollen keine Stornos der wegen des Preises vermittelten Verträge mit daraus gegebenenfalls resultierenden Provisionsrückzahlungen. Lieber wieder neue Provisionen, versteht sich von selbst. Maklerpools und Einkaufsgemeinschaften wollen keine Stornos ohne auffangendes Neugeschäft.

Also findet man sich zusammen, zu einer Form von quasi neuzeitlicher Prostitution. Alle Beteiligten sind happy. Fragt sich bedauerlicherweise nur, wer am Ende die Hure und wer der Freier sein wird. Das wird man wohl erst in einigen Jahren beurteilen können.

Tipps für von der Beitragserhöhung der WWK Betroffene

Ich habe überlegt, ob ich diesen Absatz überhaupt schreibe. Letzten Endes kann im Regelfall eigentlich nur der Preis maßgebliches Kriterium für die Wahl (und nun den Wunsch nach einem Wechsel) einer WWK Berufsunfähigkeitsversicherung gewesen sein. Und wer allein nach Preis entscheidet, hat gewöhnlich sowieso keinerlei Verständnis für den realen Wert seiner Absicherung.

Kunden mit reiner Preisfokussierung kann man in der Regel nicht weiterhelfen, so meine Erfahrungen. Dennoch, um dem so schon äußerst negativen Artikel wenigstens noch einen kleinen positiven Touch zu verleihen, hier ein paar Tipps:

Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist eine DER, wenn nicht DIE wichtigste Absicherung während des Erwerbslebens. Für diese Absicherung nimmt man sich Zeit. Entscheidet bewusst und wählt einen Vermittler, der einen dazu in die Lage versetzen kann, bewusst zu entscheiden. Panikaktionen und reine Preisentscheidungen sind für Verträge mit Jahrzehnten an Laufzeit völlig kontraproduktiv. Die Beitragserhöhung der WWK zeigt doch gerade, dass vermeintlich billige Angebote meist nichts als eine Illusion sind.

Wer betroffen ist, sollte sich die Frage stellen, ob er nicht lieber Zeit in eine grundsätzliche und fundierte Betrachtung der BU-Absicherung investiert. Kurzschlussreaktionen, Frustkündigungen etc. sind nicht anzuraten.

Es gilt zudem Vorsicht bei den am Markt angebotenen Aktionen. Die Antragsfragen sind zum Teil auch sehr weitreichend formuliert und meist beginnt die Frist für die Verjährung der vorvertraglichen Anzeigepflichten von Neuem. Ein voreiliger Wechsel kann in Folge neuer Fristen und ggf. allgemein gehaltener Antragsfragen auch erhebliche Verschlechterungen bedeuten, kurzum die Leistung im Leistungsfall erheblich gefährden.

Wer wirklich ernsthaft über eine saubere Absicherung nachdenken möchte, sollte sich zusammen mit einem versierten Vermittler an die sorgfältige Aufbereitung der Gesundheitshistorie machen und dann schauen, wie man am freien Markt eine rechtlich saubere und individuell bedarfsgerechte Absicherung realisieren kann.