Journalisten sind ja nun nicht unbedingt meine bevorzugte Zielgruppe. Ist einfach ein weites Feld – vom Clickbait-Tipper am Existenzminimum bis hin zu seriösen Journalisten mit passablen Einkommen. Entsprechend nachteilig sieht auch die Berufsgruppeneinstufung bei den Versicherern (Preis) aus. Diese Interessentin kam jedoch auf Empfehlung eines geschätzten Bestandkunden.

Anamnese und Ausgangssituation

Berufsunfähigkeitsversicherung Pharmakovigilanz-Managerin

Die als etablierte, freiberufliche Journalistin tätige Interessentin kam auf Empfehlung eines geschätzten Bestandskunden. Das war zunächst auch der einzige Grund, warum überhaupt ein Ersttermin stattfand.

Trotz sehr gutem Einkommen war der im Gesundheitsfragebogen notierte Absicherungswunsch mit 1.800 € BU-Rente einfach irrwitzig niedrig. Auf solche Storys lasse ich mich normal nicht ein, eine bedarfsgerechte BU-Rentenhöhe halte ich für einen der wichtigsten Aspekte in der BU-Vermittlung.

Die Interessentin wirkte im Ersttermin interessiert, bodenständig und sympathisch, also nahm ich mich der Sache an. Auch wenn man eine solche Konstellation in Bezug auf meinen Kundenbestand durchaus exotisch nennen dürfte.

Gesundheitshistorie und Freizeitaktivitäten waren völlig harmlos. Sogar in Relation zum Alter so ungewöhnlich harmlos, dass ich die Interessentin um Anforderung der GKV Akte / Auskunft kassenärztliche Vereinigung bat. Aber auch da traten keine unerwarteten Probleme mehr auf.

Weitaus problematischer ist die Berufsgruppeneinstufung bei Journalisten.

Ist einfach ein weites Feld. Mit unterschiedlichsten Ausprägungen insbesondere hinsichtlich Qualifikation, Einkommen und tatsächlich ausgeübter Tätigkeit. Entsprechend nachteilig (salopp, schweineteuer) stufen die meisten Versicherer journalistische Berufe ein.

Im Grunde gibt es nur zwei Versicherer, die da positiv aus der Reihe fallen, Allianz und Nürnberger.

Für solche Ausnahmen gibt es in der Regel Gründe. Die Allianz ist beispielsweise vertrieblich stark durch die “Presseversorgung” (salopp, Verticken von Altersvorsorgeverträgen) in dieser Zielgruppe involviert und bietet daher auch im BU-Bereich noch durchaus annehmbare Prämien für Journalisten an.

Allerdings muss man sehr genau auf die Softmerkmale achten (in diesem Fall insbesondere Anteile Büro- und Reisetätigkeit), um auf eine verlässliche Preisindikation zu kommen.

Nachdem diese Aspekte geklärt waren, konnte es an die Umsetzung einer Risikovoranfrage gehen.

Verlauf der Risikovoranfrage

An dieser Stelle darf man zu Recht fragen, warum ich bei völlig harmloser Gesundheitshistorie (und hey, das war absolut harmlos) überhaupt eine Risikovoranfrage erstelle.

Nun. Die Nürnberger ist prozessual eine einzige Katastrophe. Ohne vorherige Abklärung macht man da am besten gar nichts. Diese Einschätzung gilt meiner Erfahrung nach auch für den Leistungsfall. Auch die Allianz ist nicht unbedingt die Königin der Prozesse in der BU-Vermittlung, wenn auch kein Vergleich zur Nürnberger.

Kurzum: Hantiert man mit solchen Gesellschaften, macht man sich lieber vorher ein paar Minuten Arbeit, als im Nachgang über Wochen diskutieren zu müssen.

Äußerst ungern – basierend auf den prozessualen Gegebenheiten – hätte ich die Kundin als Einzelvertragslösung bei der Nürnberger gesehen. Als Zweitvertrag geht das, aber als Einzelvertrag und das auch noch völlig unterdimensioniert bei laufender Baufinanzierung? Verdammt schlechtes Bauchgefühl meinerseits.

Dies sauber gegenüber der äußerst preissensiblen Interessentin zu argumentieren, war dann alles andere als einfach. Also griff ich zu Trick 17 und reichte die Risikovoranfrage mit Zustimmung der Interessentin zunächst NUR bei der Allianz ein.

Allerdings mit klarem Hinweis darauf, dass wir die Versicherungsbedingungen beider Gesellschaften in AVB-Termin und technischer Ausgestaltung ausführlich besprechen können und werden.

Die Risikovoranfrage verlief reibungslos, das Votum war medizinisch glatt.

Konkrete Umsetzung – BU für freiberufliche Journalistin

Da gibt es nichts zu beschönigen, die tatsächliche Umsetzung war aus meiner Sicht desolat.

Trotz umfangreichem Beratungsprozess, trotz mehrfacher Hinweise auf die Lektüre meiner einschlägigen Artikel wie viel BU-Rente ist sinnvoll und Berufsunfähigkeitsversicherung für Frauen wurden am Ende tatsächlich nur 1.800 € BU-Rente beantragt.

Mit einer bedarfsgerechten Umsetzung hat das schlichtweg nichts zu tun.

Letzten Endes ist es aber nicht meine Aufgabe Entscheidungen für meine Interessenten zu treffen. Meine Aufgabe besteht viel mehr darin, meine Interessenten durch Beratung in die Lage zu versetzen, eine bewusste Entscheidung treffen zu können.

Diesbezüglich habe ich mir selbst im stattgefundenen Beratungsprozess nichts vorzuwerfen. Viel wichtiger: Ich hatte auch zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, dass die Interessentin irgendetwas Relevantes oder irgendeine Wechselwirkung nicht verstanden hätte.

So ist es dann eben wie es ist. Der Interessent trifft die Entscheidung, auch wenn ich diese nicht immer für sinnvoll halte.

Hier gab es zumindest noch Mieteinnahmen im Hintergrund. Macht die Umsetzung am Ende nicht viel brauchbarer, relativiert die Dramatik derart niedriger BU-Rentenhöhen aber ein klein wenig.

Fazit Berufsunfähigkeitsversicherung freiberufliche Journalistin

Tatsächlich kann ich gar nicht nachvollziehen, wann und warum die Kundin meiner durchaus suggestivem Empfehlung für die Umsetzung bei der Allianz gefolgt ist und die Idee mit der Nürnberger verworfen hat.

Auf rationaler Ebene hatten beide Lösungsansätze ihre Vor- und Nachteile. Eine Zweivertragslösung bei so niedriger Ausgangs-BU-Rentenhöhe ist pauschal recht sinnlos.

Ich persönlich bin aber – basierend auf praktischer Erfahrung – davon überzeugt, dass die Kundin im Leistungsfall mit der Allianz die bessere Entscheidung getroffen hat.

Solche persönlichen Befindlichkeiten, sprich Bauchgefühle, sollten eine Entscheidung für oder gegen eine Lösung in der BU-Vermittlung nie all zu stark beeinflussen und schon gar nicht zur einzigen Entscheidungsgrundlage werden. Insbesondere weil Erfahrungswerte immer selektive Momentaufnahmen sind.

Es ist der absolute Ausnahmefall, dass ich mit einem Trick (wie geschildert) Einfluss auf die Entscheidung meiner Interessenten nehme. Es ist mir durchaus wichtig hervorzuheben, dass die Betrachtung der Versicherungsbedingungen und technischen Gegebenheiten beider Gesellschaften im Beratungsprozess völlig wertneutral und ohne weitere Einflussnahme meinerseits erfolgte.

Ich bin aber mal durchaus gespannt, wie lange die Entscheidung in der Form bestand hat. Sichtweisen können sich ändern, wenn man nicht mehr so jung und nicht mehr so gesund ist. Zumindest grundlegendes Nachversicherungspotential von bis zu 1.500 Euro hat die Kundin ja.